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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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Verbrechen haben hundert weit geliebtern Lieblingen den Kopf gekostet. –
    Nottingham
. Ja wohl. – Und doch sollte Essex, bei so viel größerer Schuld, mit geringerer Strafe davon kommen? Er sollte nicht sterben?
    Die Königin
. Er soll! – Er soll sterben, und in den empfindlichsten Martern soll er sterben! – Seine Pein sei, wie seine Verräterei, die größte von allen! – Und dann will ich seinen Kopf und seine Glieder, nicht unter den finstern Toren, nicht auf den niedrigen Brücken, auf den höchsten Zinnen will ich sie aufgesteckt wissen, damit jeder, der vorübergeht, sie erblicke und ausrufe: Siehe da, den stolzen undankbaren Essex! Diesen Essex, welcher der Gerechtigkeit seiner Königin trotzte! – Wohl getan! Nicht mehr, als er verdiente! – Was sagst du, Nottingham? Meinest du nicht auch? – Du schweigst? Warum schweigst du? Willst du ihn noch vertreten?
    Nottingham
. Weil Du es denn befiehlst, Königin, so will ich Dir alles sagen, was die Welt von diesem stolzen, undankbaren Manne spricht. –
    Die Königin
. Tu das! – Laß hören: was sagt die Welt von ihm und mir?
    Nottingham
. Von Dir, Königin? – Wer ist es, der von Dir nicht mit Entzücken und Bewunderung spräche? Der Nachruhm eines verstorbenen Heiligen ist nicht lauterer, als Dein Lob, von dem aller Zungen ertönen. Nur dieses einzige wünschet man, und wünschet es mit den heißesten Tränen, die aus der reinsten Liebe gegen Dich entspringen, – dieses einzige, daß Du geruhen möchtest, ihren Beschwerden gegen diesen Essex abzuhelfen, einen solchen Verräter nicht länger zu schützen, ihn nicht länger der Gerechtigkeit und der Schande vorzuenthalten, ihn endlich der Rache zu überliefern –
    Die Königin
. Wer hat mir vorzuschreiben?
    Nottingham
. Dir vorzuschreiben! – Schreibet man dem Himmel vor, wenn man ihn in tiefester Unterwerfung anflehet? – Und so flehet Dich alles wider den Mann an, dessen Gemütsart so schlecht, so boshaft ist, daß er es auch nicht der Mühe wert achtet, den Heuchler zu spielen. – Wie stolz! wie aufgeblasen! Und wie unartig, pöbelhaft stolz; nicht anders als ein elender Lakei auf seinen bunten verbrämten Rock! – Daß er tapfer ist, räumt man ihm ein; aber so, wie es der Wolf oder der Bär ist, blind zu, ohne Plan und Vorsicht. Die wahre Tapferkeit, welche eine edle Seele über Glück und Unglück erhebt, ist fern von ihm. Die geringste Beleidigung bringt ihn auf; er tobt und raset über ein Nichts; alles soll sich vor ihm schmiegen; überall will er allein glänzen, allein hervorragen. Luzifer selbst, der den ersten Samen des Lasters in dem Himmel ausstreuete, war nicht ehrgeiziger und herrschsüchtiger, als er. Aber, so wie dieser aus dem Himmel stürzte – –
    Die Königin
. Gemach, Nottingham, gemach! – Du eiferst dich ja ganz aus dem Aten. – Ich will nichts mehr hören – Bei Seite. Gift und Blattern auf ihre Zunge! – Gewiß, Nottingham, du solltest dich schämen, so etwas auch nur nachzusagen; dergleichen Niederträchtigkeiten des boshaften Pöbels zu wiederholen. Und es ist nicht einmal wahr, daß der Pöbel das sagt. Er denkt es auch nicht. Aber ihr, ihr wünscht, daß er es sagen möchte.
    Nottingham
. Ich erstaune, Königin –
    Die Königin
. Worüber?
    Nottingham
. Du gebotest mir selbst, zu reden –
    Die Königin
. Ja, wenn ich es nicht bemerkt hätte, wie gewünscht dir dieses Gebot kam! wie vorbereitet du darauf warest! Auf einmal glühte dein Gesicht, flammte dein Auge; das volle Herz freute sich, überzufließen, und jedes Wort, jede Gebärde hatte seinen längst abgezielten Pfeil, deren jeder mich mit trifft.
    Nottingham
. Verzeihe, Königin, wenn ich in dem Ausdrucke meine Schuldigkeit gefehlet habe. Ich maß ihn nach Deinem ab.
    Die Königin
. Nach meinem? – Ich bin seine Königin. Mir steht es frei, dem Dinge, das ich geschaffen habe, mitzuspielen, wie ich will. – Auch hat er sich der gräßlichsten Verbrechen gegen meine Person schuldig gemacht. Mich hat er beleidiget; aber nicht dich. – Womit könnte dich der arme Mann beleidiget haben? Du hast keine Gesetze, die er übertreten, keine Untertanen, die er bedrücken, keine Krone, nach der er streben könnte. Was findest du denn also für ein grausames Vergnügen, einen Elenden, der ertrinken will, lieber noch auf den Kopf zu schlagen, als ihm die Hand zu reichen?
    Nottingham
. Ich bin zu tadeln –
    Die Königin
. Genug davon! – Seine Königin, die Welt, das Schicksal selbst erklärt sich wider

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