Werke
in die Gedanken geschossen, und ihn mit Erwartung und Furcht erfüllet? Gleichwohl soll ein Vorfall, der alle diese Wirkung auf ihn hat, nicht tragisch sein?
Wenn jemals bei dieser Ohrfeige gelacht worden, so war es sicherlich von einem auf der Galerie, der mit den Ohrfeigen zu bekannt war, und eben itzt eine von seinem Nachbar verdient hätte. Wen aber die ungeschickte Art, mit der sich der Schauspieler etwa dabei betrug, wider Willen zu lächeln machte, der biß sich geschwind in die Lippe, und eilte, sich wieder in die Täuschung zu versetzen, aus der fast jede gewaltsamere Handlung den Zuschauer mehr oder weniger zu bringen pflegt.
Auch frage ich, welche andere Beleidigung wohl die Stelle der Ohrfeige vertreten könnte? Für jede andere würde es in der Macht des Königs stehen, dem Beleidigten Genugtuung zu schaffen; für jede andere würde sich der Sohn weigern dürfen, seinem Vater den Vater seiner Geliebten aufzuopfern. Für diese einzige läßt das Pundonor weder Entschuldigung noch Abbitte gelten; und alle gütliche Wege, die selbst der Monarch dabei einleiten will, sind fruchtlos. Corneille ließ nach dieser Denkungsart den Gormas, wenn ihn der König andeuten läßt, den Diego zufrieden zu stellen, sehr wohl antworten:
Ces satisfactions n’appaisent point une ame:
Qui les reçoit n’a rien, qui les fait se diffame.
Et de tous ces accords l’effet le plus commun,
C’est de deshonorer deux hommes au lieu d’un.
Damals war in Frankreich das Edikt wider die Duelle nicht lange ergangen, dem dergleichen Maximen schnurstracks zuwider liefen. Corneille erhielt also zwar Befehl, die ganzen Zeilen wegzulassen; und sie wurden aus dem Munde der Schauspieler verbannt. Aber jeder Zuschauer ergänzte sie aus dem Gedächtnisse, und aus seiner Empfindung.
In dem Essex wird die Ohrfeige dadurch noch kritischer, daß sie eine Person gibt, welche die Gesetze der Ehre nicht verbinden. Sie ist Frau und Königin: was kann der Beleidigte mit ihr anfangen? Über die handfertige wehrhafte Frau würde er spotten; denn eine Frau kann weder schimpfen, noch schlagen. Aber diese Frau ist zugleich der Souverain, dessen Beschimpfungen unauslöschlich sind, da sie von seiner Würde eine Art von Gesetzmäßigkeit erhalten. Was kann also natürlicher scheinen, als daß Essex sich wider diese Würde selbst auflehnet, und gegen die Höhe tobet, die den Beleidiger seiner Rache entzieht? Ich wüßte wenigstens nicht, was seine letzten Vergehungen sonst wahrscheinlich hätte machen können. Die bloße Ungnade, die bloße Entsetzung seiner Ehrenstellen konnte und durfte ihn so weit nicht treiben. Aber durch eine so knechtische Behandlung außer sich gebracht, sehen wir ihn alles, was ihm die Verzweiflung eingibt, zwar nicht mit Billigung, doch mit Entschuldigung unternehmen. Die Königin selbst muß ihn aus diesem Gesichtspunkte ihrer Verzeihung würdig erkennen; und wir haben so ungleich mehr Mitleid mit ihm, als er uns in der Geschichte zu verdienen scheinet, wo das, was er hier in der ersten Hitze der gekränkten Ehre tut, aus Eigennutz und andern niedrigen Absichten geschieht.
Der Streit, sagt die Geschichte, bei welchem Essex die Ohrfeige erhielt, war über die Wahl eines Königs von Irland. Als er sahe, daß die Königin auf ihrer Meinung beharrte, wandte er ihr mit einer sehr verächtlichen Gebärde den Rücken. In dem Augenblicke fühlte er ihre Hand, und seine fuhr nach dem Degen. Er schwur, daß er diesen Schimpf weder leiden könne noch wolle; daß er ihn selbst von ihrem Vater Heinrich nicht würde erduldet haben: und so begab er sich vom Hofe. Der Brief, den er an den Kanzler Egerton über diesen Vorfall schrieb, ist mit dem würdigsten Stolze abgefaßt; und er schien fest entschlossen, sich der Königin nie wieder zu nähern. Gleichwohl finden wir ihn bald darauf wieder in ihrer völligen Gnade, und in der völligen Wirksamkeit eines ehrgeizigen Lieblings. Diese Versöhnlichkeit, wenn sie ernstlich war, macht uns eine sehr schlechte Idee von ihm; und keine viel bessere, wenn sie Verstellung war. In diesem Falle war er wirklich ein Verräter, der sich alles gefallen ließ, bis er den rechten Zeitpunkt gekommen zu sein glaubte. Ein elender Weinpacht, den ihm die Königin nahm, brachte ihn am Ende weit mehr auf, als die Ohrfeige; und der Zorn über diese Verschmälerung seiner Einkünfte, verblendete ihn so, daß er ohne alle Überlegung losbrach. So finden wir ihn in der Geschichte, und verachten ihn. Aber nicht so bei
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