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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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was Aristoteles hier vornehmlich sagen will? Beide lassen ihn weiter nichts sagen, als daß die komischen Dichter es nicht machten wie die Jambischen, (das ist, satyrischen Dichter,) und sich an das Einzelne hielten, sondern auf das Allgemeine mit ihren Personen gingen, denen sie willkürliche Namen, tels noms qu’il leur plait, beilegten. Gesetzt nun auch, daß τα τυχοντα ονοματα dergleichen Namen bedeuten könnten: wo haben denn beide Übersetzer das όυτω gelassen? Schien ihnen denn dieses όυτω gar nichts zu sagen? Und doch sagt es hier alles: denn diesem όυτω zu Folge, legten die komischen Dichter ihren Personen nicht allein willkürliche Namen bei, sondern sie legten ihnen diese willkürlichen Namen so, όυτω , bei. Und wie so? So, daß sie mit diesen Namen selbst auf das Allgemeine zielten: όυ σοχαζεται ή ποιησις ονοματα επιτιϑεμενη . Und wie geschah das? Davon finde man mir ein Wort in den Anmerkungen des Dacier und Curtius!
    Ohne weitere Umschweife: es geschah so, wie ich nun sagen will. Die Komödie gab ihren Personen Namen, welche, vermöge ihrer grammatischen Ableitung und Zusammensetzung, oder auch sonstigen Bedeutung, die Beschaffenheit dieser Personen ausdrückten: mit einem Worte, sie gaben ihnen redende Namen; Namen, die man nur hören durfte, um sogleich zu wissen, von welcher Art die sein würden, die sie führen. Ich will eine Stelle des Donatus hierüber anziehen.
    Nomina personarum, sagt er bei Gelegenheit der ersten Zeile in dem ersten Aufzuge der Brüder, in comoediis duntaxat, habere debent rationem et etymologiam. Etenim absurdum est, comicum aperte argumentum cofingere: vel nomen personae incongruum dare vel officium quod sit a nomine diversum. (145) Hinc servus fidelis Parmeno: infidelis vel Syrus vel Geta miles Thraso, vel Polemon: juvenis Pamphilus: matrona Myrrhina, et puer ab odore Storax: vel a ludo et a gesticulatione Circus: et item similia. In quibus summum Poetae vitium est, si quid e contrario repugnans contrarium diversumque protulerit, nisi per αντιφρασιν nomen imposuerit joculariter, ut Misargyrides in Plauto dicitur trapezita. Wer sich durch noch mehr Beispiele hiervon überzeugen will, der darf nur die Namen bei dem Plautus und Terenz untersuchen. Da ihre Stücke alle aus dem Griechischen genommen sind: so sind auch die Namen ihrer Personen griechischen Ursprungs, und haben, der Etymologie nach, immer eine Beziehung auf den Stand, auf die Denkungsart, oder auf sonst etwas, was diese Personen mit mehrern gemein haben können; wenn wir schon solche Etymologie nicht immer klar und sicher angeben können.
    Ich will mich bei einer so bekannten Sache nicht verweilen aber wundern muß ich mich, wie die Ausleger des Aristoteles sich ihrer gleichwohl da nicht erinnern können, wo Aristoteles so unwidersprechlich auf sie verweiset. Denn was kann nunmehr wahrer, was kann klärer sein, als was der Philosoph von der Rücksicht sagt, welche die Poesie bei Erteilung der Namen auf das Allgemeine nimmt? Was kann unleugbarer sein, als daß επι μεν της κωμωδιας ηδη τουτο δηλον γεγονεν , daß sich diese Rücksicht bei der Komödie besonders längst offenbar gezeigt habe? Von ihrem ersten Ursprunge an, das ist, sobald sie die Jambischen Dichter von dem Besondern zu dem Allgemeinen erhoben, sobald aus der beleidigenden Satyre die unterrichtende Komödie entstand: suchte man jenes Allgemeine durch die Namen selbst anzudeuten. Der großsprecherische feige Soldat hieß nicht wie dieser oder jener Anführer aus diesem oder jenem Stamme: er hieß Pyrgopolinices, Hauptmann Mauerbrecher. Der elende Schmaruzer, der diesem um das Maul ging, hieß nicht, wie ein gewisser armer Schlucker in der Stadt: er hieß Artotrogus, Brockenschröter. Der Jüngling, welcher durch seinen Aufwand, besonders auf Pferde, den Vater in Schulden setzte, hieß nicht, wie der Sohn dieses oder jenes edeln Bürgers: er hieß Phidippides, Junker Spaarroß.
    Man könnte einwenden, daß dergleichen bedeutende Namen wohl nur eine Erfindung der neuern Griechischen Komödie sein dürften, deren Dichtern es ernstlich verboten war, sich wahrer Namen zu bedienen; daß aber Aristoteles diese neuere Komödie nicht gekannt habe, und folglich bei seinen Regeln keine Rücksicht auf sie nehmen können. Das Letztere behauptet Hurd; (146) aber es ist eben so falsch, als falsch es ist, daß die ältere Griechische Komödie sich

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