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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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klug.
    Demea
zum Aeschinus. Nun zeige, was du kannst! Er muß!
    Aeschinus
. Mein Vater –
    Micio
. Wie? – Und du, Geck, kannst ihm noch folgen?
    Demea
. Du streibest dich umsonst: es kann nun einmal nicht anders sein.
    Micio
. Du schwärmst.
    Aeschinus
. Laß dich erbitten, mein Vater.
    Micio
. Rasest du? Geh!
    Demea
. O, So mach dem Sohne doch die Freude!
    Micio
. Bist du wohl bei Verstande? Ich, in meinem fünf und sechzigsten Jahre noch heiraten? Und ein altes verlebtes Weib heiraten? Das könnet ihr mir zumuten?
    Aeschinus
. Tu es immer; ich habe es ihnen versprochen.
    Micio
. Versprochen gar? – Bürschchen, versprich für dich, was du versprechen willst!
    Demea
. Frisch! Wenn es nun etwas wichtigeres wäre, warum er dich bäte?
    Micio
. Als ob etwas wichtigers sein könnte, wie das?
    Demea
. So willfahre ihm doch nur!
    Aeschinus
. Sei uns nicht zuwider!
    Demea
. Fort, versprich!
    Micio
. Wie lange soll das währen?
    Aeschinus
. Bis du dich erbitten lassen.
    Micio
. Aber das heißt Gewalt brauchen.
    Demea
. Tu ein Übriges, guter Micio.
    Micio
. Nun dann; – ob ich es zwar sehr unrecht, sehr abgeschmackt finde; ob es sich schon weder mit der Vernunft, noch mit meiner Lebensart reimet: – weil ihr doch so sehr darauf besteht; es sei!
    »Nein, sagt die Kritik; das ist zu viel! Der Dichter ist hier mit Recht zu tadeln. Das einzige, was man noch zu seiner Rechtfertigung sagen könnte, wäre dieses, daß er die nachteiligen Folgen einer übermäßigen Gutherzigkeit habe zeigen wollen. Doch Micio hat sich bis dahin so liebenswürdig bewiesen, er hat so viel Verstand, so viel Kenntnis der Welt gezeigt, daß diese seine letzte Ausschweifung wider alle Wahrscheinlichkeit ist, und den feinern Zuschauer notwendig beleidigen muß. Wie gesagt also: der Dichter ist hier zu tadeln, auf alle Weise zu tadeln!«
    Aber welcher Dichter? Terenz? oder Menander? oder beide? – Der neue englische Übersetzer des Terenz, Colmann, will den größern Teil des Tadels auf den Menander zurückschieben; und glaubt aus einer Anmerkung des Donatus beweisen zu können, daß Terenz die Ungereimtheit seines Originals in dieser Stelle wenigstens sehr gemildert habe. Donatus sagt nämlich: Apud Menandrum senex de nuptiis non gravatur. Ergo Terentius εύρητικως .
    »Es ist sonderbar,« erklärt sich Colmann, »daß diese Anmerkung des Donatus so gänzlich von allen Kunstrichtern übersehen worden, da sie, bei unserm Verluste des Menanders, doch um so viel mehr Aufmerksamkeit verdienet. Unstreitig ist es, daß Terenz in dem letzten Akte dem Plane des Menanders gefolgt ist: ob er nun aber schon die Ungereimtheit, den Micio mit der alten Mutter zu verheiraten, angenommen, so lernen wir doch vom Donatus, daß dieser Umstand ihm selber anstößig gewesen, und er sein Original dahin verbessert, daß er den Micio alle den Widerwillen gegen eine solche Verbindung äußern lassen, den er in dem Stücke des Menanders, wie es scheinet, nicht geäußert hatte.«
    Es ist nicht unmöglich, daß ein Römischer Dichter nicht einmal etwas besser könne gemacht haben, als ein Griechischer. Aber der bloßen Möglichkeit wegen, möchte ich es gerne in keinem Falle glauben.
    Colmann meinet also, die Worte des Donatus: Apud Menandrum senex de nuptiis non gravatur, heißen so viel, als: beim Menander streibet sich der Alte gegen die Heirat nicht. Aber wie, wenn sie das nicht hießen? Wenn sie vielmehr zu übersetzen wären: beim Menander fällt man dem Alten mit der Heirat nicht beschwerlich? Nuptias gravari würde zwar allerdings jenes heißen; aber auch de nuptiis gravari? In jener Redensart wird gravari gleichsam als ein Deponens gebraucht: in dieser aber ist es ja wohl das eigentliche Passivum, und kann also meine Auslegung nicht allein leiden, sondern vielleicht wohl gar keine andere leiden, als sie.
    Wäre aber dieses: wie stünde es dann um den Terenz? Er hätte sein Original so wenig verbessert, daß er es vielmehr verschlimmert hätte; er hätte die Ungereimtheit mit der Verheiratung des Micio, durch die Weigerung desselben, nicht gemildert, sondern sie selber erfunden. Terentius εύρητικως .
    Aber nur, daß es mit den Erfindungen der Nachahmer nicht weit her ist!
    { ‡ }
Hundert und erstes, zweites, drittes und viertes Stück
    Den 19ten April 1768
    Hundert und erstes bis viertes? – Ich hatte mir vorgenommen, den Jahrgang dieser Blätter nur aus hundert Stücken bestehen zu lassen. Zwei und funfzig Wochen, und die Woche zwei Stück,

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