Werke
in seinem Schlafe zu stören, mir die Freiheit genommen habe. Ich fürchte auch im geringsten nicht, daß der Nachbar selbst diesen kleinen Spaß so hoch aufgenommen haben sollte, daß er sich mit mir nicht weiter abzugeben beschlossen hätte. Darunter würde ich allerdings zu viel verlieren; und lieber will ich gleich hier, mit folgenden Worten des Augustinus, ihn um Verzeihung bitten: Obsecro to per mansuetudinem Christi, ut si te laesi, dimittas mihi, nec, me vicissim laedendo, malum pro malo reddas. Laedes enim, si mihi tacueris errorem meum, quem forte inveneris in scriptis meis. –
Nun eben wollte ich noch die Frage tun; welchem Gegner meines Ungenannten sonst, ich auf eine unanständige abschreckende Art begegnet bin? als mit eins ein Ritter, das Visier weder auf noch nieder geschoben, in den Kampfplatz gesprengt kömmt, und gleich von weiten, in dem wahren Ton eines Homerischen Helden mir zuruft: (20) »Ich sollte –? Woher wissen Sie –? Warum taten Sie –? Nicht wahr –?« Und hierauf ein Geschrei über Verleumdung, und ein Hochzeitbitter-Beweis, daß ein Subrector in einer Reichsstadt eben so viel sei, als ein Bibliothekar, der Hofrat heiße! – Ei, meinetwegen noch zehnmal mehr! Aber gilt das mir? Ich kenne Sie nicht, edler Ritter. Mit Erlaubnis, wer sind Sie? Sie sind doch wohl nicht gar Herr M. Friedrich Daniel Behn, des Lübeckischen Gymnasii Subrector? Wahrlich? O wie betaure ich, daß ich den Herrn Subrector durch meinen vierten Anti-Goeze, wider alle mein Wollen, so in den Harnisch geschrieben habe! Aber bedenken Sie doch nur! Ich habe Sie nirgends genannt; ich habe Ihre Schrift nirgends angezogen; ich habe Ihre Worte nirgends gebraucht. Sie sagen selbst, daß die Meinung, die ich lächerlich mache, Ihre Meinung nicht sei. Und leicht möglich, daß sie es wirklich nicht ist; obgleich der Herr Hauptpastor Goeze sie um ein großes so vorstellt, indem er uns sagt, wie sehr Sie in Ihrem zweiten Abschnitte den Unfug beklagen, daß man die christliche Religion in deutscher Sprache bestreite. Wie, wenn ich es also nur mit diesem Manne zu tun hätte, der alles für Unfug erklärt, was nicht in seinen Kram taugt? Wie, wenn ich es nur mit denen zu tun hätte, die mir diese nämliche Meinung hundertmal mündlich geäußert haben? Woher erhellet denn, daß ich der Welt zu verstehen geben wollen, als ob auch Sie dieser nämlichen Meinung wären? Daher, weil ich sie einem Subconrector in den Mund gelegt habe? Aber Sie sind ja nicht Subconrector, sondern Subrector. Warum muß ich denn diesen lieber in jenen herabgewürdiget, als unter jenem diesen gar nicht gemeint haben? Darf ich denn einen Pedanten nicht Subconrector nennen, weil Herr Behn Subrector ist? Oder wollen Sie den Unterscheid zwischen objektiver und subjektiver Religion schlechterdings zuerst erfunden, zuerst gebraucht haben; so daß ich Sie notwendig dadurch kenntlich gemacht hätte, daß ich ihn nachgebraucht? – Ich merke, mein lieber Herr Subrector, Sie sind ein wenig sehr stolz; aber doch noch hitziger als stolz; und mich jammert Ihrer Klasse. So oft ein Knabe lacht, muß er über den Herrn Subrector gelacht haben, – et vapulat.
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Gotthold Ephraim Lessing
Ernst und Falk
Gespräche für Freimäurer
Wolfenbüttel bzw. Frankfurt [recte: Göttingen] 1778 (anonym).
ernst und falk
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[Teil 1]
Vorrede eines Dritten
Erstes Gespräch
Zweites Gespräch
Drittes Gespräch
Zur Nachricht
Fortsetzung
Vorrede eines Dritten
Viertes Gespräch
Fünftes Gespräch
Nachricht
Sr. Durchlaucht dem Herzoge Ferdinand
Durchlauchtigster Herzog,
Auch ich war an der Quelle der Wahrheit, und schöpfte. Wie tief ich geschöpft habe, kann nur der beurteilen, von dem ich die Erlaubnis erwarte, noch tiefer zu schöpfen. – Das Volk lechzet schon lange und vergehet vor Durst. –
Ew. Durchlaucht,
untertänigster Knecht
[Teil 1]
Vorrede eines Dritten
Wenn nachstehende Blätter die wahre Ontologie der Freimäurerei nicht enthalten: so wäre ich begierig zu erfahren, in welcher von den unzähligen Schriften, die sie veranlaßt hat, ein mehr bestimmter Begriff von ihrer Wesenheit gegeben werde.
Wenn aber die Freimäurer alle, von welchem Schlage sie auch immer sein mögen, gern einräumen werden, daß der hier angezeigte Gesichtspunkt der einzige ist, aus welchem – sich nicht einem blöden Auge ein bloßes Phantom zeigt, – sondern gesunde Augen eine wahre Gestalt erblicken: so dürfte nur noch die Frage entstehen; warum man nicht längst,
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