Werke
stille, wo Wahrheitsliebe sie nicht weiter treibt, und Liebe des Nächsten sie still zu stehen bittet.
Freilich desto besser, wenn die Briefe, welche Herr Licentiat Wittenberg in Händen hat, einen Mann aus dem Spiele setzen, welchen mancher schwache Gesell sich als seinen Gewährsmann wohl wünschen möchte. In der Tat wüßte ich auch selbst, keinen neuern Gelehrten in ganz Deutschland, für welchen ein Vorurteil in dergleichen Dingen zu haben, verzeihlicher wäre, als eben ihn. Aber eben daher möchte ich auch auf diesen Mann keinen Fingerzeig geben, und wenn er mir selbst, in eigner verklärter Person, die Papiere aus jenem Leben gebracht hätte, mit dem ausdrücklichen Verlangen, sie unter seinem Namen herauszugeben; und wenn er mir seitdem auch immer über die zweite Nacht wieder erschiene, und das nämliche Gesuch, ich weiß nicht unter welchen Drohungen oder Versprechungen, wiederholte. Ich würde zu ihm sagen: »Lieber Geist, herausgeben will ich deine Handschrift recht gern; ob ich gleich wohl merke, daß die Sache nicht ohne Gefahr ist, und man mir vorwerfen wird, daß ich die schwachen Gewissen nur damit ärgern wollen. Denn was dieses Ärgernis betrifft, darüber denke ich wie Luther. Genug, ich kann ohne Gefahr meiner Seele, deine Schrift nicht unter den Scheffel stellen. Sie hat Zweifel in mir erregt, die ich mir muß heben lassen. Und wer kann sie mir anders heben, als das Publikum? Mich an den und jenen berühmten Gottesgelehrten durch Privatbriefe deshalb zu wenden, das kostet Geld und Zeit; und ich habe deren keines viel zu versplittern. Also, wie gesagt, herausgeben will ich deine Schrift gern: aber warum soll ich sie nicht anders herausgeben, als mit deinem Namen? Bist du in jenem Leben eitler geworden, als du in diesem warest? Oder gehört dein Name auch mit zu den Beweisen? Wenn du auf diesem kindischen ärgerlichen Ehrgeize bestehest: so weiß ich wohl, woher du kömmst. Die Glorie, die du da um deinen Kopf hast, ist Betrug; denn du bist klein genug, noch eine andre neben ihr zu verlangen.«
Diese Phantasie erinnert mich wieder an den Vorschlag, den ich oben zu tun im Begriffe war. – Hat mein Ungenannter nicht aus Überzeugung geschrieben; nicht aus innerm Drang, was er für wahr hielt, auch seinen Nächsten mitzuteilen: so kann er keinen andern Bewegungsgrund gehabt haben, als unselige Ruhmsucht, gloriae cupiditatem sacrilegam; und ich finde in der ganzen Geschichte ihn mit niemanden zu vergleichen, als mit dem Unsinnigen, der den Tempel der Diana zu Ephesus verbrennen wollte, ut opere pulcherrimo consumpto, nomen ejus per totum terrarum orbem disjiceretur. Als nun der Fantast diesen seinen Schwindel auf der Folter bekannte: was taten die Epheser? Sie beschlossen, um ihn von der empfindlichsten Seite zu strafen, daß niemand seinen Namen nennen solle; und wir würden es noch nicht wissen, wie der stolze Narr geheißen, hätte sich Theopomp in seinen Geschichtbüchern dieser klugen Verfügung unterwerfen wollen. Ich folge den weisen Ephesern; nenne, Trotz dem Theopomp, nach dem Beispiel des Valerius, den ungeheuren Geck auch noch nicht; und trage an: wie, wenn wir ein gleiches unter uns ausmachten, und den Frevler nie nennten, (gesetzt, daß wir seinen Namen wüßten, oder erführen) der aus Ehrfurcht den Felsen sprengen wollen, auf welchen Christus seine Kirche gegründet? – Ich stelle mir vor, ich sammle die Stimmen, fange an von den Patribus conscriptis des Luthertums, einem Ernesti, einem Semler, einem Teller, einem Jerusalem, einem Spalding etc. und komme herab bis auf den kleinsten Dorfpriester, der in den freiwilligen Nachrichten seiner Notdurft pfleget: und alle, alle stimmen für Ja .
Nur einer, einer nur, der Hauptpastor Goeze, stimmet für Nein. Nein! donnert er; und nochmals Nein! Nicht genug, daß der Ungenannte dort ewig zu Schanden geworden: er muß auch noch hier zeitlich zu Schanden werden. Amen! fügt er hinzu; Amen!
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Anti-Goeze
Eilfter
Pro boni viri officio, si quando eum ad defensionem nocentium ratio duxerit, satisfaciam.
Quinctilianus
Ich komme endlich auf das Dritte, wodurch ich mich als den Advokaten des Ungenannten erzeigen soll. Es soll in meinem Betragen gegen diejenigen bestehen, die sich der christlichen Religion wider ihn annehmen.
Diese Rüge enthält zweierlei, auf deren jedes ich verschieden antworten muß. Entweder man findet es nur sonderbar und unrecht, daß ich überhaupt noch den Ungenannten bei seinen Gegnern vertrete; oder man findet
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