Werke
dem zweiten Gliede dieser Rüge. »Ei nun ja! Da verlasse sich einer darauf, und binde mit ihm an! Wir haben die Erfahrung davon; ich und sein Nachbar. Wie höhnend, wie verachtend, wie wegwerfend hat er wider uns geschrieben!«
Fühlen Sie das, Herr Hauptpastor? Desto besser. So habe ich meinen Zweck mit Ihnen erreicht; aber noch lange nicht getan, was Sie verdienen. Denn einmal gehören Sie zu den Gegnern meines Ungenannten noch gar nicht. Sie haben bis diese Stunde ihn noch in nichts widerlegt; Sie haben bloß auf ihn geschimpft. Sie sind bis diese Stunde nur noch als mein Gegner anzusehen; nur noch als der Gegner eines Gegners des Ungenannten. Und nächst dem haben Sie wider diesen Gegner des Ungenannten sich Dinge erlaubt, die Sie zum Teil kaum gegen den Ungenannten sich hätten erlauben müssen. Sie haben mich feindseliger Angriffe auf die christliche Religion beschuldiget. Sie haben mich förmlicher Gotteslästerungen beschuldiget; Sagen Sie selbst: wissen Sie infamierendere Beschuldigungen, als diese? Wissen Sie Beschuldigungen, die unmittelbarer Haß und Verfolgung nach sich ziehen? Mit diesem Dolche kommen Sie auf mich eingerannt, und ich soll mich nicht anders, als den Hut in der Hand, gegen Sie verteidigen können? soll ganz ruhig und bedächtig stehn bleiben, damit ja nicht Ihr schwarzer Rock bestaubt werde? soll jeden Atemzug so mäßigen, daß ja Ihre Perrucke den Puder nicht verliere? Sie schreien über den Hund, »er ist toll!« wohl wissend, was die Jungen auf der Gasse daraus folgern: und der arme Hund soll gegen Sie auch nicht einmal blaffen? blaffend Sie nicht Lügen strafen? Ihnen nicht die Zähne weisen? Das wäre doch sonderbar. Hieronymus sagt, daß die Beschuldigung der Ketzerei (wie viel mehr der Irreligion?) der Art sei, in qua tolerantem esse, impietas sit, non virtus. Und doch, doch hätte ich mich lieber dieser Gottlosigkeit schuldig machen, als eine Tugend nicht aus den Augen setzen sollen, die keine ist? Anständigkeit, guter Ton, Lebensart: elende Tugenden unsers weibischen Zeitalters! Firnis seid ihr; und nichts weiter. Aber eben so oft Firnis des Lasters, als Firnis der Tugend. Was frage ich darnach, ob meine Darstellungen diesen Firnis haben, oder nicht? Er kann ihre Würkung nicht vermehren; und ich will nicht, daß man für meine Gemälde das wahre Licht erst lange suchen soll. – Sagen Sie an, Herr Hauptpastor, was habe ich gegen Sie geschrieben, warum Sie nicht nach wie vor Hauptpastor in Hamburg sein und bleiben könnten? Ich hingegen könnte das nicht sein, könnte das nicht bleiben, was ich bin; wenn Ihre Lüge Wahrheit wäre. Sie wollen mir die Nase abschneiden, und ich soll Ihrer nicht mit ein wenig assa foetida räuchern? –
Dieses ist nun freilich der Fall meines Nachbars nicht ganz. Aber ihn habe ich auch nirgends so behandelt, als den Herrn Hauptpastor. Bloß sein wiederholter Vorwurf, daß der Ungenannte, die Wahrheit, die er gar wohl einsehe, nur nicht einsehen wolle; bloß dieser Vorwurf, welcher einen Menschen so ganz in einen Teufel verwandelt; bloß dieser Vorwurf, von dessen Gifte, wie ich bewiesen habe, ein großer Teil auf mich zurücke spritzt: hat mich im Fortgange des Wortwechsels bitterer gegen ihn gemacht, als ich zu sein mir vorgenommen hatte. Und wie bitter bin ich denn gegen ihn gewesen? Das bitterste ist doch wohl, daß ich von ihm gesagt habe, »er schreibe im Schlafe«? Mehr nicht? Und daraus will der Herr Hauptpastor schließen, daß das Testament Johannis, in welchem die allgemeine brüderliche Liebe so sehr empfohlen wird, von mir unmöglich sein könne? Nun wohl: so hat Hieronymus, aus welchem ich das Testament Johannis genommen, eben so wenig von dieser Liebe gehabt, als ich; und ich bin lange zufrieden, daß ich deren doch eben so viel habe, als Hieronymus; wenn schon nicht ganz so viel, als der Herr Hauptpastor Goeze, der seine Herren Kollegen aus brüderlicher Liebe eher ewig schlafen macht, als ihnen das Schlafen vorwirft. Denn gerade sagt Hieronymus einem seiner Gegner nicht mehr und nicht weniger, als ich meinem Nachbar gesagt habe. Dem Vigilantius nämlich schreibt er mit dürren Worten: Ego reor, et nomen tibi kat’ antiphrasin impositum. Nam tota mente dormitas et profundissimo non tam somno stertis, quam lethargo. Auch wiederholt der heilige Mann das böse Wortspiel überall, wo er von dem Vigilantius spricht; und wenn ich recht gezählt habe, mag er ihn wohl eben so oft ausdrücklich Dormitantius nennen, als ich meinen Nachbar
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