Werke
hinunter als ein angenehmes Labsal. Wurde ihm aber alsbald gar possierlich zumute, war ihm, als hätte er ein Paar Flügel an den Achseln, oder als spiele jemand mit ihm Fangball. Denn ellenhoch und immer höher mußte er in der Apotheke aufsteigen und niedersinken. »Ei, Jemine, Jemine,« rief er, »wie bin ich doch solch ein flinker Tänzer geworden!« – Aber dem Lehrburschen stand das Maul offen vor lauter Verwunderung. Geschah nun, daß jemand die Türe rasch aufriß, so daß das Fenster gegenüber aufsprang. Strömte alsbald ein starker Luftzug durch die Apotheke, erfaßte das Schneiderlein, und schnell wie der Wind war es fort durch das offne Fenster in alle Lüfte; niemand hat es wieder gesehen. Begab sich nach mehrerer Zeit, daß die Sachsenhäuser zur Abendzeit hoch in den Lüften eine Feuerkugel erblickten, die mit blendendem Glanz die ganze Gegend erleuchtete und dann verlöschend zur Erde hinabfiel. Wollten alle wissen, was zur Erde gefallen, liefen hin an den Ort, fanden aber nichts als ein kleines Klümpchen Asche; dabei aber den Dorn einer Schuhschnalle, ein Stückchen eiergelben Atlas mit bunten Blumen und ein schwarzes Ding, das beinahe anzusehen war wie ein Stockknopf von schwarzem Horn. Haben alle darüber nachgedacht, wie solche Sachen in einer Feuerkugel aus dem Himmel fallen mögen. Da ist aber die Frau Liebste des entfahrnen Schneiderleins dazugekommen, und als diese die gefundenen Sachen erblickt, hat sie die Hände gerungen, gar erbärmlich getan und geschrien: »Ach Jammer, das ist meines Liebsten Schnallendorn, ach Jammer, das ist meines Liebsten Sonntagsweste, ach Jammer, das ist meines Liebsten Stockknopf!« Hat aber ein großer Gelehrter erklärt, der Stockknopf sei kein Stockknopf, sondern ein Meteorstein oder ein mißratener Weltkörper. Ist nun aber auf diese Weise den Sachsenhäusern und aller Welt kund worden, daß das arme Schneiderlein, dem der Apothekerbursche brennbare Luft gegeben statt Magenschnaps, in den hohen Lüften verbrannt und heruntergesunken ist zur Erde als Meteorstein oder mißratner Weltkörper.
Ende der Geschichte
von dem Schneiderlein aus Sachsenhausen.
Der Kellner wurde endlich ungeduldig, daß der wunderliche Fremde nicht aufhörte, sich groß und klein zu machen, ohne auf ihn zu achten, und hielt ihm die Flasche Burgunder, die er bestellt hatte, dicht unter die Nase. Sogleich sog sich der Fremde an der Flasche fest und ließ nicht nach, bis der letzte Tropfen eingeschlürft war. Dann fiel er wie ohnmächtig in den Lehnsessel und konnte sich nur ganz schwach regen.
Die Gäste hatten mit Erstaunen gesehen, wie er während des Trinkens immer mehr aufgeschwollen und nun ganz dick und unförmlich erschien. Des andern Flugwerk schien nun auch zu stocken, er wollte sich keuchend und ganz außer Atem niederlassen; als er aber gewahrte, daß sein Gegner halb tot dalag, sprang er schnell auf ihn zu und begann ihn mit geballter Faust derb abzubläuen.
Da riß ihn aber der Hauswirt zurück und erklärte, daß er ihn gleich zum Hause hinauswerfen werde, wenn er nicht Ruhe halte. Wollten sie beide ihre Taschenspielerkünste zeigen, so möchten sie das tun, jedoch ohne sich zu zanken und zu prügeln wie gemeines Volk. –
Den Flugbegabten schien es etwas zu verschnupfen, daß der Wirt ihn für einen Taschenspieler hielt. Er versicherte, daß er nichts weniger sei als ein schnöder Gaukler, der lose Künste treibe. Sonst habe er die Ballettmeisterstelle bei dem Theater eines berühmten Königs bekleidet, jetzt privatisiere er als schöner Geist und heiße, wie es sein Metier erfordere, nämlich Legénie. Habe er im gerechten Zorn über den fatalen Menschen dort etwas höher gesprungen als gebührlich, so sei das seine Sache und gehe niemanden etwas an.
Der Wirt meinte, daß das alles noch keine Prügelei rechtfertige; der schöne Geist erwiderte indessen, daß der Wirt den boshaften hinterlistigen Menschen nur nicht kenne, da er ihm sonst einen zerbläuten Rücken recht herzlich gönnen würde. Der Mensch sei nämlich ehemals französischer Douanier gewesen, nähre sich jetzt vom Aderlassen, Schröpfen und Barbieren und heiße Monsieur Egel. Ungeschickt, tölpisch, gefräßig, sei er jedem zur Last. Nicht genug, daß der Taugenichts überall, wo er mit ihm zusammentreffe, so wie es eben jetzt geschehen, ihm den Wein vor dem Maule wegsaufe, so führe er auch, der Verruchte, jetzt nichts Geringeres im Schilde, als ihm die schöne Braut wegzukapern, die er aus Frankfurt
Weitere Kostenlose Bücher