Werke
das Brautgemach gar nicht betreten.
Der Gärtner kam in diesem Augenblick ganz außer sich herbei und rief, er wisse gar nicht, was er davon denken solle, aber ein seltsames Wunder sei im Garten aufgegangen.
Die ganze Nacht habe er vom blühenden Cactus grandiflorus geträumt und nun erst die Ursache davon erfahren. Man solle nur kommen und schauen.
Peregrinus und Röschen gingen herab in den Garten. In der Mitte eines schönen Bosketts war eine hohe Fackeldistel emporgeschossen, die ihre im Morgenstrahl verwelkte Blüte hinabsenkte, und um diese Blüte schlang sich liebend eine lila- und gelbgestreifte Tulpe, die auch den Pflanzentod gestorben. –
»O meine Ahnung,« rief Peregrinus, indem ihm die Stimme vor tiefer Wehmut bebte, »o meine Ahnung, sie hat mich nicht getäuscht! Der Strahl des Karfunkels, der mich zum höchsten Leben entzündete, gab dir den Tod, du durch seltsame Verschlingungen eines geheimnisvollen Zwiespalts dunkler Mächte verbundenes Paar.
Das Mysterium ist erschlossen, der höchste Augenblick alles erfüllten Sehnens war auch der Augenblick deines Todes.«
Auch Röschen schien die Bedeutung des Wunders zu ahnen, sie bückte sich zu der armen gestorbenen Tulpe herab und vergoß häufige Tränen.
»Ihr habt ganz recht,« sprach Meister Floh (der plötzlich in seiner anmutigen mikroskopischen Gestalt auf der Fackeldistel saß), »ja, Ihr habt ganz recht, wertester Herr Peregrinus; es verhält sich alles so, wie Ihr da eben gesprochen habt, und ich verlor nun meine Geliebte auf immer.«
Röschen hatte sich beinahe über das kleine Ungetüm entsetzt, da Meister Floh sie aber mit solchen klugen freundlichen Augen anblickte und Herr Peregrinus so vertraulich mit ihm tat, so faßte sie ein Herz, schaute ihm dreist ins kleine niedliche Antlitz und gewann um so mehr Zutrauen zu der kleinen sonderbaren Kreatur, als Peregrinus ihr zuflüsterte: »Das ist mein guter lieber Meister Floh.«
»Mein bester Peregrinus,« sprach nun Meister Floh sehr zärtlich, »meine holde liebe Frau, ich muß euch jetzt verlassen und zurückkehren zu meinem Volk, doch werde ich euch treu und freundlich gewogen bleiben immerdar, und ihr sollt meine Gegenwart auf euch ergötzliche Weise verspüren. Lebt wohl, lebt beide herzlich wohl! Alles Glück mit euch!«
Meister Floh hatte während dieser Zeit seine natürliche Gestalt angenommen und war spurlos verschwunden. –
Wirklich soll sich auch Meister Floh in der Familie des Herrn Peregrinus Tyß stets als ein guter Hausgeist bewiesen haben und vorzüglich tätig gewesen sein, als nach Jahresfrist ein kleiner Peregrinus das holde Paar erfreute. Da hat Meister Floh am Bette der holden Frau gesessen und der Wärterin in die Nase gestochen, wenn sie eingeschlafen, ist in die mißratene Krankensuppe hinein und wieder herausgesprungen u.s.w.
Gar hübsch war es aber von dem Meister Floh, daß er der Tyßischen Nachkommenschaft am Christtage es nie an den zierlichsten, von den geschicktesten Künstlern seines Volks ausgearbeiteten Spielsächelchen fehlen ließ, so aber den Herrn Peregrinus Tyß auf gar angenehme Weise an jene verhängnisvolle Weihnachtsbescherung erinnerte, die gleichsam das Nest der wunderbarsten, tollsten Ereignisse zu nennen.
Hier brachen plötzlich alle weitere Notizen ab, und die wundersame Geschichte von dem Meister Floh nimmt ein fröhliches und erwünschtes
Ende .
[ Δ ]
E.T.A. HOFFMANN
Letzte
Erzählungen
( 1825 )
Letzte Erzählungen
[ Δ ]
Haimatochare
Die Marquise de la Pivardiere
Die Irrungen
Die Geheimnisse
Der Elementargeist
Die Räuber
Die Doppeltgänger
Datura fastuosa
Des Vetters Eckfenster
Naivetät
Die Genesung
Neueste Schicksale eines abenteuerlichen Mannes
Meister Johannes Wacht
Der Feind
Haimatochare
Vorwort
Nachfolgende Briefe, welche über das unglückliche Schicksal zweier Naturforscher Auskunft geben, wurden mir von meinem Freunde Adalbert von Chamisso mitgeteilt, als er eben von der merkwürdigen Reise zurückgekommen, in der er den Erdball anderthalbmal umkreist hatte. Sie scheinen wohl öffentlicher Bekanntmachung würdig. – Mit Trauer, ja mit Entsetzen gewahrt man, wie oft ein harmlos scheinendes Ereignis die engsten Bande der innigsten Freundschaft gewaltsam zu zerreißen und da verderbliches Unheil zu bereiten vermag, wo man das Beste, das Ersprießlichste zu erwarten sich berechtigt glaubte.
E. T. A. Hoffmann .
1. An Se. Exzellenz den Generalkapitän und Gouverneur von Neusüdwales
Port Jackson, den
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