Werke
Augen war es, vor dem ich zurückbebte. Nicht für ratsam hielt ich es, der Fremden zu folgen, und zwar aus doppeltem Grunde. Einmal war ich geneigt, nach jenem Blicke die Fremde für eine Wahnsinnige zu halten, dann aber lief ich Gefahr, mich ganz zu verirren, da es mir jetzt schon Mühe genug kosten mußte, den nächsten Weg zur Heimat zurück zu finden. – Als ich an der Wirtstafel mein Abenteuer erzählte, sagte mir mein Nachbar, der schon seit vielen Jahren Töplitz jeden Sommer zu besuchen pflegte, daß jene Frau allerdings eine Wahnsinnige und von vielen Personen in Töplitz sehr wohl gekannt sei. – Vor mehreren Jahren ließ sich nämlich eine junge Person in der Gegend von Töplitz sehen, die bald in zerlumpten Kleidern bei den Bauern bettelte, bald, besser gekleidet, Juwelen von nicht ganz geringem Werte feilbot und dann wieder in den Bergen verschwand. Das abergläubige Volk hielt sie für ein Waldweib, für eine Berghexe und bat einen Geistlichen aus Töplitz, den bösen Geist zu bannen. Der Geistliche versprach das, während er ganz anderes im Sinne trug. – Bald geschah es auch, daß er in der Gegend, wo die Person sich zu zeigen pflegte, wandelnd, sie wirklich traf und von ihr angebettelt wurde. Der Geistliche, ein Mann von hellem Verstande, von richtigem psychologischen Blick, merkte aus den ersten Reden, daß er eine Wahnsinnige vor sich habe. Es gelang ihm, ihr Zutrauen zu gewinnen, und unerachtet er sich das, was sie ihm über ihren Stand, ihre Herkunft, ihr jetziges Verhältnis sagte, gar nicht zusammen zu reimen wußte, so ging er doch darauf endlich mit vieler Geschicklichkeit ein. Des Geistlichen Zuspruch schien ihr wohlzutun, sie versprach, an derselben Stelle sich wieder einzufinden, und hielt Wort. – Endlich nach mehreren Unterredungen kam es so weit, daß die Wahnsinnige ihm willig nach Töplitz folgte, wo er sie bei einem Hausbesitzer, dessen Besitztum entfernter lag, unterbrachte und ihm auch ein Kästchen mit Juwelen einhändigte, das sie im Walde vergraben. Der Geistliche war von der vornehmen Abkunft der Wahnsinnigen überzeugt, er ließ daher eine öffentliche Aufforderung an etwanige Verwandte ergehen, in der er ihre Person sowie die ihm anvertrauten Juwelen auf das genaueste beschrieb. – Nicht lange dauerte es, so erschien der junge Graf Bogislav von F. in Töplitz und erklärte, nachdem er lange Zeit sich mit der Wahnsinnigen unterhalten, daß sie eine Verwandte seines Hauses sei, für die er, da sie sich von ihrem jetzigen Aufenthalt durchaus nicht trennen wolle, ein ansehnliches Jahrgeld zahlen werde. – Mein Nachbar schloß damit, daß er mir riet, die Bekanntschaft der Wahnsinnigen zu machen, die nur auf ihren einsamen Spaziergängen scheu, sonst aber sehr mild und gut sei. – Ich ging heute nachmittags hin. – Die Wirtsleute schienen auf dergleichen Besuche vorbereitet zu sein, sie sagten mir, daß die Gräfin gleich zurückkehren werde von ihrem einsamen Spaziergang. Wirklich trat bald darauf die Dame ganz in demselben Anzuge, wie sie mir gestern im Walde begegnete, in das Gemach, begrüßte mich ohne alles Befremden mit dem vornehmsten Anstande und nötigte mich, wohl wissend, daß nur ihr mein Besuch gelte, Platz zu nehmen. Ohne Spur des Wahnsinns sprach sie von gleichgültigen Dingen, bis ich, selbst weiß ich nicht, wie mir das einkam, äußerte, daß es mir nicht gelungen, ihren wahren Familiennamen zu erfahren. Da heftete sie ihren Blick fest auf mich und sprach mit dem Ton der tiefsten Trauer: »Wie, mein Herr? – sollten Sie mich nicht kennen? sollten Sie mich nicht schon oft unter den Schrecknissen des fürchterlichsten Verhängnisses erblickt haben, nicht schon oft von dem ungeheuern Geschick erschüttert worden sein, das mich so grimmig erfaßte? – Ja, ich bin jene unglückliche Amalia, Gräfin von Moor, aber die schwärzeste Verleumdung ist es, daß mein Karl mich selbst getötet haben solle. Nur scheinbar tat er das, um die wilde Horde zu beschwichtigen. – Es war nur ein Theaterdolch, den er mir auf die Brust setzte.« – Dies letzte sprach die Gräfin ganz leise und beinahe lächelnd. Dann fuhr sie im vorigen Tone fort: »Schweizer und Kosinski, die edlen Menschen, haben mich gerettet. Sie sehen, mein Herr, ich lebe, und kein Leben ist ohne Hoffnung. Der Kaiser wird, er muß den Grafen Karl von Moor begnadigen, er darf das aber nicht eher tun, bis Graf Franz gestorben. Der hat aber drei Leben. Zweimal ist er schon gestorben – ich selbst (dicht
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