Werke
herangerückt, zischelte mir die Gräfin dies ins Ohr) – ich selbst – diese Hand hat ihn einmal getötet. Nun lebt er noch das dritte Leben, ist das geendet auf gewaltsame Weise, wie es bald geschehen wird, so ist alles gut. Karl kommt wieder, erhält den Besitz der ihm entrissenen Herrschaft in Böhmen, und auch meine entsetzliche Qual ist vorüber. Als mein Oheim starb, berührte ich mit dieser Hand, die dem Sohn das zweite Leben raubte, das linke Auge, und da blieb es offen, und alle vermochten es nicht zuzudrücken – und er schaut mich noch immer mit diesem Auge an.« – Die Gräfin versank in tiefes Nachdenken, fuhr dann aber plötzlich auf und rief, indem jenes düstre Feuer des Wahnsinns aus ihren Augen blitzte, mir zu: »Finden Sie mich schön? – Könnten Sie mich lieben? – o, ich kann Ihre Liebe reich lohnen! – Entführen Sie mich dem Verhaßten. – Rette, o rette mich!« –
Die Gräfin wollte sich an meine Brust stürzen, da faßte sie aber der Hauswirt bei den Armen und sprach halb leise: »Gnädige Gräfin – gnädige Gräfin, er ist da! es ist die höchste Zeit. – Sie müssen fort.« – »Du hast recht, guter Daniel,« erwiderte sie ebenso – »ja ganz recht – fort, fort!« Und damit sprang sie schnell fort aus dem Gemach.
Ich bebte, wie vom Fieberfrost geschüttelt, stammelte unverständliche Worte! – »Sie sind erschrocken, mein Herr,« sprach der Wirt lächelnd, »aber es hat jetzt nicht mehr das mindeste zu bedeuten. Sonst, ehe ich aus ihren Reden mir es erlauscht hatte, wie ich mich zu benehmen, geriet sie jedesmal, wenn sie geschrieen: ›Rette, rette mich!‹ in Wut; jetzt aber packt sie schnell ihre Juwelen ein und läuft unter allerlei wirren, wunderlichen Reden umher, bis sie in tiefen Schlaf verfällt, aus dem sie in ihrem gewöhnlichen ruhigen Zustande erwacht.« –
Als ich nach Hause kam, fand ich Deinen Brief! – Kein Wort mehr. –
O Hartmann! mein innigst geliebter Freund, »wir stehen mitten in Schillers ›Räubern‹«, sprachst Du damals, aber der Gedanke, der nichts weiter schien als ein Scherz, berührte den Pendul des verderblichen Räderwerks, das mich, den Leichtsinnigen, erfaßte, und dessen das Innerste zerfleischende Kraft ich noch fühle. – Lebe wohl etc.
Als Hartmann seinen Freund endlich in Berlin wiedersah, fand er ihn zwar geheilt von der verderblichen Stimmung, die auch physischem Leid zuzuschreiben; beide, Willibald und Hartmann, gedenken aber noch jetzt, sind sie am späten Abend traulich beisammen, oft jenes entsetzlichen Trauerspiels in Böhmen, dessen ersten Akt ein seltsames Verhängnis sie mitspielen ließ, und in ihrem innersten Gemüt erbeben dann tiefe Schauer.
[ Δ ]
Die Doppeltgänger
Erstes Kapitel
Der Wirt zum »Silbernen Lamm« riß seine Mütze vom Kopf, warf sie auf die Erde und rief, mit beiden Füßen darauf herumstampfend: »So – so – trittst du alle Rechtschaffenheit, alle Tugend, alle Nächstenliebe mit Füßen, du ehrvergessener Gevatter, du gottloser Wirt zum ›Goldnen Bock‹! – Hat der Kerl nicht lediglich mir zum Tort seinen verwünschten Bock über dem Tor mit schweren Kosten so gleißend neu vergülden lassen, daß mein niedliches silbernes Lämmlein nun ganz ärmlich und bleich dagegen absticht, und alle Gäste mir vorbei nach dem funkelnden Tiere ziehen? – Alles mögliche Gesindel von Seiltänzern, Komödianten und Taschenspielern reißt der Spitzbube an sich, damit sein Haus nur immer von Menschen wimmle, die sich erlustieren und seinen essigsauren, doppelt geschwefelten Wein saufen, statt daß ich meinen vortrefflichen Hochheimer und Nierensteiner selbst aussaufen muß, um ihn nur los zu werden an einen Mann, der echten Wein zu schätzen weiß. Kaum verläßt die Komödiantenbande den vertrackten ›Bock‹, als die kluge Frau einkehrt mit dem Raben, und alles strömt wieder hin und läßt sich wahrsagen und ruiniert sich mit Essen und Trinken. Und wie der heillose Nachbar oft seine Leute, die bei ihm einkehren, behandeln mag, kann ich mir wohl denken, denn der junge hübsche Herr, der erst vor wenigen Tagen dort war und heute zurückkam, ist doch richtig nicht bei ihm; sondern bei mir eingekehrt. – Aber er soll auch bedient werden fürstlich. – Ach! – Ach! – Teufel! – Da geht er ja hin, der junge Herr, nach dem ›Goldenen Bock‹ – die verfluchte weise Frau, die wird er sehen wollen. Es ist Mittagszeit – der Hochwohlgeborne strebt nach dem ›Goldnen Bock‹ – verschmäht alle
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