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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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dies aber möglich wäre, das könne er durchaus nicht enträtseln.
    »Warst du,« so sprach Berthold weiter, »warst du nicht unserer Abrede gemäß nach Hohenflüh gekommen? – traf ich dich nicht dort, begegnete dir nicht Seltsames mit einem geheimnisvollen Weibe im Gasthof zum ›Goldnen Bock‹? Wollten Unbekannte dich nicht dazu gebrauchen, ein Frauenzimmer entführen zu helfen, das du selbst Natalie nanntest? Wurdest du nicht im Walde durch einen Pistolenschuß schwer verwundet? – hab’ ich nicht von dir Abschied genommen mit schwerem Herzen, da du entkräftet, todwund auf dem Lager lagst? – Sprachst du nicht von einem unerklärlichen Ereignis – von einem Grafen Hektor von Zelies?«
    »Halt ein, du durchbohrst mein Innres mit glühenden Dolchen!« so rief George im wilden Schmerz.
    »Ja,« fuhr er dann ruhiger fort, »ja, Bruder Berthold, es ist nur zu gewiß, es gibt ein zweites Ich, einen Doppeltgänger, der mich verfolgt, der mich um mein Leben betrügen, der mir Natalie rauben wird!«
    In voller Trostlosigkeit verstummt, sank George auf die Rasenbank.
    Berthold setzte sich neben ihm hin und sang leise, indem er sanft des Freundes Hand drückte:
    Freundes Trost, Balsam den Wunden,
    Ist noch nicht für dich verhallt!
    »Ich,« sprach George, indem er sich die Tränen wegtrocknete, die ihm aus den Augen strömten, »ich verstehe dich ganz, mein geliebter Bruder Berthold! – Es ist unrecht, daß ich dir nicht schon längst meine ganze Brust erschloß, nicht schon längst dir alles, alles sagte. – Daß ich in Liebe bin, konntest du längst ahnen. Die Geschichte dieser Liebe – sie ist so einfältig, so abgedroschen, daß du sie in jedem abgeschmackten Roman nachlesen kannst. – Ich bin Maler, und so ist nichts mehr in der hergebrachten Ordnung, als daß ich mich in ein schönes junges Frauenzimmer, die ich abkonterfeie, sterblich verliebe. So ist es mir denn auch wirklich gegangen, als ich während meines Aufenthalts in Straßburg meine Proviantbäckerei – du weißt, daß ich darunter das Porträtmalen verstehe – mehr trieb als jemals. Ich bekam den Ruf eines außerordentlichen Porträtisten, der die Gesichter recht aus dem Spiegel stehle in der schönsten Miniatur, und so geschah es, daß eine alte Dame, die eine Pensionsanstalt hatte, sich an mich wandte und mich ersuchte, ein Fräulein, das bei ihr, zu malen für den entfernten Vater. Ich sah, ich malte Natalien – o ihr ewigen Mächte, das Geschick meines Lebens war entschieden! – Nun, nicht wahr, Bruder Berthold, da ist nichts Besonders daran! – Doch höre, manches mag doch bemerkenswert sein. – Laß es mich dir sagen, daß mich seit meiner frühen Knabenzeit in Ahnungen und Träumen das Bild eines himmlischen Weibes umschwebte, dem all mein Sehnen, all mein Lieben zugewandt. Die rohesten Versuche des malerischen Knaben zeigen dies Bild ebenso als die vollendeteren Gemälde des reifenden Künstlers. – Natalie, sie war es! – Das ist wunderbar, Berthold! – Auch mag ich dir sagen, daß derselbe Funke, der mich entzündet, auch in Nataliens Brust gefallen, daß wir uns verstohlen sahen. – O zerronnenes Glück der Liebe! – Nataliens Vater, Graf Hektor von Zelies, war gekommen, das Bildlein der Tochter hatte ihm ausnehmend gefallen, ich wurde eingeladen, ihn auch zu malen. Als der Graf mich sah, geriet er in eine seltsame Bewegung, ich möchte sagen Bestürzung. Er fragte mich mit auffallender Ängstlichkeit über alle meine Lebensverhältnisse aus und schrie dann mehr, als er sprach, indem seine Augen glühten, er wolle nicht gemalt sein, aber ich sei ein wackrer Künstler, müsse nach Italien, und das auf der Stelle, er wolle mir Geld geben, wenn ich dessen bedürfe! –«
    »Ich fort? – ich mich trennen von Natalien? – Nun, es gibt Leitern, bestechliche Zofen – wir sahen uns verstohlen. Sie lag in meinen Armen, als der Graf eintrat. – – ›Ha, meine Ahnung – er ist reif!‹ – so schrie der Graf wütend auf und stürzte auf mich los mit gezogenem Stilett. Ohne daß sein Stoß mich treffen konnte, rannte ich ihn über den Haufen und entfloh. – Spurlos war er andern Tages mit Natalien verschwunden! –
    Es begab sich, daß ich auf die alte Zigeunerin stieß, die du heute bei mir gesehen. Sie schwatzte mir solch abenteuerliche Prophezeiungen vor, daß ich gar nicht darauf achten, sondern meinen Weg fortsetzen wollte. Da sprach sie mit einem Ton, der mein Innerstes durchdrang: ›George, mein Herzenskind, hast du

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