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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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Natalien vergessen?‹ – Mag es nun Hexerei geben oder nicht, genug, die Alte wußte um meinen Liebesbund, wußte genau, wie sich alles begeben, beteuerte mir, daß ich durch sie zu Nataliens Besitz gelangen solle, und gab mir auf, mich zu einer bestimmten Zeit in Hohenflüh einzufinden, wo ich sie, wiewohl in einer ganz andern Gestalt, finden werde. – Nun, Berthold, laß mich nicht alles weitläuftig erzählen – mir brennt die Brust – ein Wagen rollt auf mich zu – hält – die Reiter kommen näher – ›Jesus!‹ ruft eine Stimme im Wagen – es ist Nataliens Stimme. – ›Eile – eile‹, ruft eine andre Stimme – die Reiter biegen seitwärts ein. – ›Die Gefahr ist vorüber‹, spreche ich und steige in den Wagen – in dem Augenblick fällt ein Schuß, fort geht es! – Meine Ahnung hat mich nicht betrogen, es ist Natalie, es ist die alte Zigeunerin – sie hat Wort gehalten.« – »Glücklicher George!« sprach Berthold.
    »Glücklicher?« wiederholte George, indem er eine wilde Lache aufschlug, »ha! noch im Walde holten uns Polizeisoldaten ein. Ich sprang aus dem Wagen, die Zigeunerin mir nach, packte mich mit Riesenkraft und schleppte mich ins finstre Dickicht. – Natalie war verloren. – Ich war in Wut, die Zigeunerin wußte mich zu besänftigen; mich zu überzeugen, daß kein Widerstand möglich, und daß noch keine Hoffnung verloren. Ich vertraue ihr blindlings, und wie du uns hier siehst, das ist ihr Plan, ihr Rat, um der Verfolgung eines mordsüchtigen Feindes zu entgehen.« –
    In dem Augenblick trat die alte Zigeunerin hinzu und sprach mit krächzenden Stimme: »George, schon leuchtet der Nachtwurm, wir müssen fort über die Berge.«
    Da wollte es Berthold bedünken, die Alte treibe leeres loses Gaukelspiel mit Georgen, den sie an sich gelockt, um durch ihn mit jenen Possen mehr Geld zu gewinnen.
    Zornig wandte er sich zur Alten, erklärte, daß er als Georgs bester innigster Freund es nicht länger zugeben werde, daß er schnöder Landstreicherei und niedrigen Possen sein Kunstleben opfere, mit ihm solle er nach Italien, und fragte dann, was sie überhaupt für ein Recht habe auf den ihm verbundenen Freund.
    Da erhob sich die Alte, die Züge des Antlitzes schienen sich zu veredeln, aus den Augen strahlte ein dunkles Feuer, plötzlich war ihr ganzes Wesen die Würde und Hoheit selbst, sie sprach mit fester volltönender Stimme: »Du fragst, was für ein Recht ich habe auf diesen Jüngling? – Ich kenne dich wohl, du bist der Kupferstecher Berthold – du bist sein Freund, aber ich – o ihr ewigen Mächte! – ich bin – seine Mutter!«
    Damit faßte sie Georgen in ihre Arme und drückte ihn stürmisch an ihre Brust. Doch plötzlich überfiel sie ein krampfhaftes Zittern, sie stieß Georgen von sich mit abgewandtem Gesicht, sie ließ sich erschöpft, halb ohnmächtig auf die Rasenbank niedersinken, sie wimmerte, indem sie sich mit dem weiten Mantel, den sie umgeworfen, das Antlitz verhüllte: »Starre mich nicht so an, George, mit seinen Augen – warum wirfst du mir immer und ewig mein Verbrechen vor? – Du mußt fort – fort!« –
    »Mutter!« rief George, indem er der Zigeunerin zu Füßen stürzte. Diese schloß ihn nochmals heftig in ihre Arme, indem sie, keines Wortes mächtig, aus tiefer Brust aufseufzte. Sie schien in Schlaf zu versinken. Doch bald erhob sie sich mühsam, sprach, wieder ganz Zigeunerin, mit krächzender Stimme: »George, schon leuchtet der Nachtwurm, wir müssen fort über die Berge!« und schritt langsam fort.
    George warf sich sprachlos an die Brust des Freundes, dem auch das bis zum Entsetzen gesteigerte Erstaunen die Zunge band.
    Bald vernahm Berthold das Trommeln, Pfeifen, Klingeln, den schauerlichen Gesang, das Geschrei des Esels und das Quieken der Affen und den Jubel des nachziehenden Landvolks, bis alles dumpf verhallte in der weiten Ferne.
Viertes Kapitel
    Förster, welche am frühen Morgen den Wald durchstrichen, fanden den jungen Deodatus Schwendy ohnmächtig in seinem Blute liegend. Der Branntwein, den sie in Jagdflaschen bei sich führten, tat gute Dienste, ihn ins Leben zurückzurufen, sie verbanden, so gut sie es vermochten, die Brustwunde, packten ihn auf einen Wagen und brachten ihn nach Hohenflüh in das Wirtshaus zum »Silbernen Lamm«.
    Der Schuß hatte nur die Brust stark gestreift, ohne daß die Kugel eingedrungen war, der Wundarzt erklärte daher, daß an Lebensgefahr nicht zu denken, wiewohl der Schreck und die Kälte der

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