Werke
Nacht den erschöpften Zustand herbeigeführt, in dem sich Deodatus befand. Kräftige Mittel würden aber auch diesen bald heben.
Hätte Deodatus nicht den Schmerz der Wunde gefühlt, das ganze unerklärliche Ereignis wäre ihm nichts gewesen als ein Traum. Es schien ihm gewiß, daß jenes Geheimnis, von dem der Vater in dunklen Worten gesprochen, sich zu enthüllen begann, daß aber irgendein feindliches Wesen dazwischengetreten und seine Hoffnung vernichtet. Dieses feindliche Wesen, wer konnte es anders sein als der Maler George Haberland, der ihm so durchaus ähnlich, daß er überall mit ihm verwechselt worden.
»Und wie,« sprach er zu sich selbst, »wenn jene Natalie, jener schöne Liebestraum, der in süßen Ahnungen durch mein Leben ging, nur ihm angehörte, meinem unbekannten Doppeltgänger, meinem zweiten Ich, wenn er sie mir geraubt, wenn all mein Sehnen, all mein Hoffen ewig unerfüllt bliebe?«
Deodatus verlor sich in trübe Gedanken, immer dichtere Schleier schienen seine Zukunft zu verhüllen, jede Ahnung war dahin, er sah ein, daß er nur auf den Zufall hoffen dürfte, der ihm vielleicht Geheimnisse erschließen konnte, welche gar verhängnisvoll, gar gefährlich sein müßten, da sein Vater, der alte Amadeus Schwendy, es selbst nicht gewagt, sie ihm zu offenbaren. –
– Der Wundarzt hatte den kranken Deodatus eben verlassen, er befand sich allein, als die Türe leise geöffnet wurde und ein großer, in einen Mantel gehüllter Mann hineintrat. Als er den Mantel zurückschlug, erkannte Deodatus in ihm augenblicklich jenen Fremden wieder, den er im Gasthause zum »Goldnen Bock« auf dem Flur getroffen, und er erriet, daß es derselbe sein mußte, der ihm das unerklärliche Billett geschrieben, nämlich der Graf Hektor von Zelies. Es war dem so.
Der Graf schien sich Mühe zu geben, den finstern stechenden Blick, der ihm eigen, zu mildern, er zwang sich sogar zu einiger Freundlichkeit.
»Wahrscheinlich,« so begann er, »wahrscheinlich erstaunen Sie, mich hier zu sehen, Herr Haberland, noch mehr werden Sie erstaunen, wenn ich Ihnen erkläre, daß ich hier bin, um Ihnen Frieden, Versöhnung anzubieten, im Fall Sie gewisse Bedingungen« –
Deodatus unterbrach den Grafen, indem er mit Heftigkeit versicherte, daß er keinesweges der Maler George Haberland sei, daß hier ein unglücklicher Irrtum vorwalten müsse, der ihn in ein Labyrinth unerklärlicher Ereignisse stürzen zu wollen scheine. Starr schaute der Graf ihm ins Gesicht und sprach dann mit einem Blick, aus dem ein wenig der Teufel lächelte: »Sie haben, mein Herr Schwendy oder mein Herr Haberland oder wie Sie sich sonst zu nennen belieben mögen, Natalien entführen wollen?« –
»Natalie, o Natalie,« seufzte Deodatus tief aus der Seele.
»Hoho,« sprach der Graf mit dem bittersten Ingrimm, »Sie lieben Natalien wohl sehr?«
»Mehr,« erwiderte Deodatus, indem er vor Schwäche zurücksank auf sein Lager, »mehr als mein Leben. – Sie wird mein werden, sie muß mein werden, in meinen Innersten glüht die Hoffnung, das Verlangen!« –
»Welche unerhörte Frechheit,« fuhr der Graf auf im flammenden Zorn, »he, warum traf« – plötzlich innehaltend, seinen Zorn mit Gewalt niederkämpfend, sprach der Graf, nachdem er einige Augenblicke geschwiegen, mit erkünstelter Ruhe: »Verdanken Sie Ihrem Zustande, daß ich Sie schone, unter andern Umständen würde ich Rechte geltend machen, die Sie vernichten könnten. Aber ich verlange nun, daß Sie mir augenblicklich sagen, wie es geschehen konnte, daß Sie Natalien sahen hier in Hohenflüh?«
Der Ton, in dem der Graf sprach, erfüllte den Deodatus Schwendy mit dem tiefsten Unwillen. Sich trotz seiner Schwäche ermannend, richtete er sich auf und sprach mit festem männlichen Ton: »Es kann nur das Recht der Unverschämtheit sein, das Sie geltend machen zu können glauben, wenn Sie in mein Zimmer dringen, wenn Sie mich mit Fragen belästigen, die ich nicht beantworten kann. Sie sind mir völlig unbekannt, niemals hatte ich mit Ihnen etwas zu schaffen, und diese Natalie, von der Sie sprechen, wissen Sie denn, daß diese das Himmelsbild ist, das in meinem Herzen lebt? – Weder in Hohenflüh noch sonst irgendwo sahen meine leiblichen Augen die – doch es ist Frevel, zu Ihnen von Geheimnissen zu reden, die ich bewahre tief in meiner innersten Brust!«
Der Graf schien in Staunen und Zweifel zu geraten, er lispelte kaum hörbar: »Niemals hätten Sie Natalien gesehen? – Und als Sie sie
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