Werke
dich entrissen, mein teurer Sohn! Bald enthüllt sich nun das Verborgene, bald tagt nun das herauf, was du in deiner Brust nicht zu ahnen vermagst.« –
Siebentes Kapitel
Am frühesten Morgen erwachte der Fürst aus tiefem ruhigen Schlummer. Er schien erquickt, die Krankheit gebrochen, mit Ungeduld verlangte er den Leibarzt. Nicht in geringe Verwunderung geriet dieser, als der Fürst ihm in dem mildesten Ton befahl, den Jüngling, den er, wie er sehr gut wisse, im Landhause verborgen, sogleich zur Stelle zu bringen.
Der Leibarzt wollte sein Verfahren mit dem Zustande des Jünglings, der Ruhe und die sorgsamste ärztliche Behandlung erfordert, entschuldigen, der Fürst unterbrach ihn aber mit der Versicherung, daß es keiner Entschuldigung bedürfe, da er, der Leibarzt, ihm, ohne es zu ahnen, die größte Wohltat erzeigt. Übrigens sei ihm gestern erst der Aufenthalt des Jünglings durch den Förster verraten worden. –
Deodatus war nun aber spurlos verschwunden, und als der Fürst dies erfuhr, geriet er in sichtliche Bewegung. Mit dem schmerzlichsten Ton wiederholte er mehrmals: »Warum entfloh er – warum entfloh er? – Wußte er nicht, daß jede Betörung weicht im Tode?« –
Auf Befehl des Fürsten kam der Präsident des Staatsrats, außerdem aber noch der Präsident der obersten Justizkammer mit zwei Räten. Die Türen wurden sogleich verschlossen, man konnte vermuten, daß der Fürst testiere.
Am folgenden Morgen verkündete der dumpfe Ton der Glocken den Sonsitzern den Tod des Fürsten, der in der Nacht nach einem wiederholten Anfall des Schlags sanft und ruhig entschlummert war.
Der Staatsrat, die obersten Behörden versammelten sich im Schloß, der letzte Wille des Fürsten sollte eröffnet werden, da man mit Recht vermuten konnte, daß bei dem Mangel eines Thronfolgers darin Bestimmungen enthalten sein würden, wie wenigstens augenblicklich die Verwaltung des Staats fortgesetzt werden solle.
Der feierliche Akt sollte beginnen, als plötzlich, wie durch einen Zauberschlag hervorgerufen, der verschollene jüngere Bruder des Fürsten hineintrat und erklärte, daß er nun als regierender Fürst allein zu gebieten habe und daß jede Verfügung des Fürsten, die des Bruders Rechte auf den Thron auch nur im mindesten schmälere, unwirksam sein und bleiben müsse. Mit der Eröffnung des Testaments habe es daher Zeit. –
Allen war die unerwartete Erscheinung des Fürsten Isidor ein unerklärliches Rätsel, denn niemand wußte, daß Fürst Isidor, durch das Alter, überdem aber noch durch falsches Haar, durch Schminke entstellt und auf diese Weise unerkannt, im Lande hauste, daß er in den letzten Tagen in jenem verfallenen Schloß auf den Tod des Fürsten lauerte.
Gleich nachdem er das Fürstentum Reitlingen verlassen, hatte er den Namen eines Grafen Hektor von Zelies angenommen und überhaupt jede Spur, wo er geblieben, geschickt zu vertilgen gewußt. –
Der Präsident des Staatsrats, ein ehrwürdiger Greis, versicherte, dem Fürsten Isidor fest ins Auge blickend, daß, bevor nicht der letzte Wille des Fürsten Remigius eröffnet, er den Bruder nicht für zur Thronfolge berechtigt halten könne. Gewisse Geheimnisse würden vielleicht kundwerden und die Dinge sich anders gestalten.
Die letzten Worte sprach der Präsident mit erhöhter starker Stimme, und man sah den Fürsten Isidor plötzlich erblassen.
Die Eröffnung des Testaments geschah nun mit den gewöhnlichen Förmlichkeiten, und alle, den Fürsten Isidor ausgenommen, gerieten über den Inhalt in das frohste, freudigste Erstaunen. Der Fürst hatte erklärt, wie er erst auf dem Todbette das heillose Unrecht eingesehen, das er der tugendhaften Gemahlin angetan, die er, auf den bloßen Verdacht der Untreue hin, den ihm ein arglistiger Bösewicht beizubringen gewußt, samt dem Kinde, das sie ihm geboren, verstoßen und in ein fernes ödes Grenzschloß einsperren lassen, aus dem sie entflohen, ohne daß es möglich gewesen, auch nur die mindeste Spur weiter von ihr zu erforschen. Den Sohn, Dank sei es der himmlischen Macht, habe er gefunden, denn die innerste Überzeugung sage es ihm, daß der Jüngling, der unter dem Namen Deodatus Schwendy zu ihm gebracht worden, kein anderer sei als eben sein Sohn, den er in satanischer Verblendung von sich geworfen. Jeden Zweifel, der über die Identität dieses Jünglings und seines Sohnes entstehen könne, werde der Graf von Törny heben können, der den Sohn gerettet und erzogen und der unter dem Namen
Weitere Kostenlose Bücher