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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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Krampf erfaßte den armen Deodatus der Gedanke, daß ja nicht er, daß es jener unbekannte Doppeltgänger sei, den Natalie liebe, den sie wiedergefunden zu haben glaube. Und doch, so sprach das glühende Verlangen der Liebe aus dem Innern heraus, und doch, kann nicht eben jener Doppeltgänger der sein, der sie täuscht, kann ich nicht der sein, dem sie angehört, mit dem sie geheimnisvolle Bande verknüpfen? Hin zu ihr! – Sowie die Nacht eingebrochen, schlich Deodatus hinaus aus seinen Zimmern. Im Park, unfern des Landhauses, hörte er Stimmen flüstern, schnell duckte er sich nieder ins Gebüsch. Da schritten zwei in Mäntel gehüllte Männer dicht bei ihm vorüber. »Also,« sprach der eine, »also noch lange könnte es dauern mit dem Fürsten, meinte heute der Leibarzt?« »So ist es, gnädigster Herr,« erwiderte der andere. »Nun,« fuhr der erste fort, »so muß man zu andern Mitteln« – die Worte wurden undeutlich. Deodatus richtete sich in die Höhe, dem Sprechenden fiel der volle Glanz der leuchtenden Mondesstrahlen ins Gesicht. Deodatus erkannte mit Entsetzen den Grafen Hektor von Zelies. –
    Erhebend vor dem Gedanken, daß der Hölle schwarze Ausgeburt, daß der Mord hier im Finstern lauere, zu gleicher Zeit mit unwiderstehlicher Gewalt fortgetrieben von glühender Sehnsucht, von dürstendem Verlangen, schlich Deodatus fort. Im Mondlicht fand er die verfallne Treppe an der Südseite, doch wollte er verzweifeln, als er, kaum einige Stufen hinaufgeklettert, die Unmöglichkeit einsah, in der tiefen Finsternis, die ihn nun umgab, weiter fortzukommen. Doch plötzlich leuchtete ein fernes Licht aus dem innern Gebäude ihm entgegen. Er kletterte nicht ohne Gefahr vollends die Treppe herauf, kam in einen hohen weiten Saal. – In blendendem Liebreiz, in hoher Anmut stand das holde Wunder seiner Träume vor ihm. »Natalie!« rief Deodatus und stürzte dem herrlichen Frauenbilde zu Füßen. Doch mit süßem Wohllaut lispelte Natalie: »Mein George!« und schloß den Jüngling in ihre Arme. Keine Worte – nur Blick, nur Kuß, die Sprache heißer stürmischer Liebesglut. Da rief Deodatus im Wahnsinn tötender Angst, inbrünstiger Wonne: »Mein – mein bist du, Natalie! – glaube an mein Ich – ich weiß, mein Doppeltgänger hat dir die Brust zerspalten wollen, aber er traf mich – es war nur eine Kugel, die Wunde ist geheilt, und mein Ich lebt. – Natalie, sage mir nur, ob du an mein Ich glaubest, sonst erfaßt mich der Tod vor deinen Augen! – Ich heiße auch nicht George, aber doch bin ich selbst mein Ich und kein anderer.« –
    »Weh mir,« rief Natalie, sich aus des Jünglings Armen loswindend, »George, was sprichst du? – Doch nein, nein! – ein bedrohliches Verhängnis hat deine Sinne aufgeregt! – Sei ruhig, sei ganz mein George!«
    Natalie breitete die Arme aus, und Deodatus umfing sie, drückte sie an die Brust, indem er laut rief: »Ja, Natalie, ich bin es, ich bin der, den du liebst. – Wer will es wagen, wer vermag es, mich aus diesem Himmel voll Seligkeit zu reißen! – Natalie – laß uns fliehen, laß uns fliehen – fort – daß mein Doppeltgänger dich nicht erreiche – – fürchte nichts – es ist mein Ich, das ihn tötet!« –
    In dem Augenblick ließen sich dumpfe Tritte hören und: »Natalie, Natalie!« erscholl es durch die hohen Gemächer. –
    »Fort,« rief Natalie, indem sie den Jüngling nach der Treppe drängte und ihm die Lampe, die sie mitgebracht, in die Hand gab, »fort, sonst sind wir verloren, der Vater ist gekommen. – Morgen um diese Zeit komme wieder, ich werde dir folgen.« –
    Halb sinnlos kletterte Deodatus die Treppe hinab, es war ein Wunder zu nennen, daß er nicht hinstürzte über die verfallenen Stufen. Unten löschte er die Lampe aus und warf sie ins Gebüsch. Kaum war er einige Schritte fortgegangen, als er hinterwärts von zwei Männern gepackt wurde, die mit ihm schnell davonrannten, ihn in den Wagen hoben, der vor dem Gattertor stand, und mit ihm davonfuhren im sausenden Galopp.
    Eine gute Stunde mochte Deodatus gefahren sein, als der Wagen stillhielt im dicksten Walde vor einer Köhlerhütte. Männer mit Fackeln traten aus der Hütte, man bat den Jüngling auszusteigen, er tat es. Ein alter stattlicher Herr kam schnell heran, und mit dem Ausruf: »Mein Vater!« stürzte ihm Deodatus an die Brust.
    »Aus den Schlingen,« sprach der alte Amadeus Schwendy, »aus den Schlingen der Arglist und Bosheit habe ich dich gerettet, dem Morde habe ich

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