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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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die Ursache, daß er sich aus dem Lande entfernen müssen, ohne daß jemand seinen jetzigen verborgenen Aufenthalt kannte.
    Die Hohenflüher zerbrachen sich weidlich die Köpfe, wie es denn nun gehen würde, wenn der Fürst gestorben. Sie zitterten vor dem tyrannischen Bruder und wünschten, er läge, wie es schon einmal geheißen, wirklich in dem tiefen Grunde des Meeres.
    An der Wirtstafel im »Goldnen Bock« war nun eben von diesen Dingen stark die Rede, jeder sagte seine Meinung, und der bekannte Ratsherr urteilte, ein hochweiser Rat könne ja bei der Regierung der Stadt auch ein wenig die Regierung des Landes mit übernehmen, bis sich das Weitere finde. Ein alter Mann, der, in sich gekehrt, so lange geschwiegen, sprach nun mit dem Ton der tiefsten Rührung: »Welch ein herbes Ungemach trifft unser armes Land; den besten Fürsten erfaßt irgendein unerhörtes Verhängnis und raubt ihm alles Lebensglück, alle Ruhe der Seele, bis er dem entsetzlichen Schmerz erliegt! Wir haben von dem Nachfolger alles zu fürchten, und der einzige Mann, der feststehen wie ein Fels im Meer, der unser Hort, unser Heil sein würde, dieser einzige Mann ist dahin!« –
    Jeder wußte, daß der Alte keinen andern meinte als den Grafen von Törny, der bald, nachdem die Fürstin verschwunden, sich vom Hofe entfernte.
    Graf Törny war in jeder Hinsicht ein ausgezeichneter Mensch. Mit dem schärfsten Verstande, mit der freien Genialität, die den festen Takt gibt, nur das Richtige zu wollen, und die Kraft, es zu vollbringen, verband er das edelste Gemüt, den regsten Sinn für alles Gute und Schöne. Er war der Beschützer des Unterdrückten, der rastlose Verfolger des Unterdrückers. So mußte es kommen, daß der Graf nicht allein die Liebe des Fürsten, sondern auch die Liebe des Volks gewann, und nur ein sehr kleiner Teil wagte es, dem Gerücht Glauben beizumessen, das ihn als schuldbar darstellte und das, man wußte es, der Bruder des Fürsten, der den Grafen in der tiefsten Seele haßte, auszustreuen sich bemüht hatte. –
    Mit einem Munde rief alles an der Wirtstafel: »Graf Törny! – unser edler Graf Törny! – O wäre er noch bei uns in dieser Zeit der Bedrängnis!« –
    Man trank auf des Grafen Wohl. Wurde nun weiter von des Fürsten bedenklicher Krankheit gesprochen, die ihn in das Grab bringen könne, so war es natürlich, daß man des jungen Mannes gedachte, in dessen Gegenwart den Fürsten der böse Zufall getroffen hatte.
    Der kluge Ratsherr witterte die abscheulichsten Dinge. Es sei gewiß, meinte er, daß der junge Mensch, der töricht genug gewesen, den hochweisen Rat durch zwei diverse Namen über seine Person täuschen zu wollen, ein Spitzbube im höhern Stil gewesen, der Arges im Sinn getragen.
    Nicht umsonst habe der Fürst ihn nach Sonsitz und heraus nach dem Landhause bringen lassen, um ihn selbst über allerlei höllische Anschläge zu befragen, und die Artigkeit des Offiziers, der bequeme Wagen, der Leibarzt, alles sei nur Maske gewesen, um den Verbrecher lustig zu erhalten und guter Dinge, damit er alles gleich gestehe. Gewiß würde es dem Fürsten gelungen sein, alles herauszubringen, wenn ihm nicht die kalte nasse Abendluft den Schlagfluß zugezogen und der junge Mensch nicht die Verwirrung benutzt hätte, um schnell zu entfliehen. Er wünschte nur, daß der Taugenichts sich wieder sehen lasse in Hohenflüh, da solle er nicht zum zweitenmal der Gerechtigkeit des hochweisen Rats entrinnen. – Eben hatte der Ratsherr dies gesprochen, als der junge Mann, von dem die Rede, hereintrat, stillschweigend und ernst die Gesellschaft grüßte und sich an die Tafel setzte.
    »Schönstens willkommen, bester Herr Haberland,« sprach der Wirt, der des Ratsherrn böse Meinung gar nicht teilen konnte, »schönstens willkommen! – Nun! – Sie dürfen gewiß keine Scheu tragen, sich in Hohenflüh sehen zu lassen?« Der junge Mann schien über des Wirts Anrede sehr befremdet, da setzte sich der kleine dicke Ratsherr in Positur und begann sehr pathetisch: »Mein Herr, ich erkläre Ihnen hiermit« – da faßte ihn aber der junge Mann mit einem scharfen durchdringenden Blick so fest ins Auge, daß er verstummte und unwillkürlich mit einer Verbeugung hinausstotterte: »Ganz gehorsamster Diener!« –
    Vielleicht hat der geneigte Leser auch schon die Bemerkung gemacht, daß es Leute gibt, die, faßt man sie scharf ins Auge, sogleich, wie im Gefühl schuldiger Demut, zu grüßen pflegen.
    Der junge Mann aß und trank nun, ohne

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