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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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ein Wort zu reden. Auf der ganzen Gesellschaft lag ein schwüles erwartungsvolles Stillschweigen.
    Der Alte, der vorhin gesprochen, redete endlich den jungen Menschen an, indem er ihn fragte, ob die Brustwunde, die er im Walde bei Hohenflüh erhalten, schon wieder ganz geheilt sei. Der junge Mann erwiderte, daß man sich in seiner Person irren müsse, da er nie in der Brust verwundet worden.
    »Ich verstehe,« fuhr der alte Mann schlau lächelnd fort, »ich verstehe, Herr Haberland, Sie sind wieder völlig hergestellt und wollen von dem unangenehmen Vorfall nicht ferner reden. – Aber da Sie gegenwärtig waren, als unsern guten Fürsten der Schlag traf, so werden Sie uns am besten sagen können, wie sich alles begab und was man von dem Zustande des Fürsten zu hoffen oder zu fürchten hat.«
    Der junge Mensch erwiderte, daß derselbe Irrtum auch hier im Spiele sein müsse, da er nie in Sonsitz gewesen, nie den Fürsten Remigius gesehen habe. Indessen sei ihm die Krankheit des Fürsten bekannt geworden, und er wünsche näheres darüber zu erfahren.
    Vielleicht, meinte der Alte, wolle oder dürfe der Herr Haberland von seinem Aufenthalt bei dem Fürsten nicht viel sprechen, vielleicht habe auch das Gerücht vieles von dem entstellt, was sich in Sonsitz begeben, so viel sei aber gewiß, daß der Fürst den jungen Mann, der hier verwundet worden und für den er den Herrn Haberland nun einmal halten müsse, nach Sonsitz herausholen lassen und daß ihn bei einem einsamen Gespräch mit diesem jungen Manne im Park der Schlag getroffen. Entfernte Diener hätten auch eine seltsame dumpfe Stimme rufen gehört:
    »Die Hoffnung ist der Tod, das Leben dunkler Mächte grauses Spiel!«
    Der junge Mensch seufzte tief auf, wechselte die Farbe, alles verriet die tiefste innere Bewegung. Er stürzte schnell einige Gläser Wein hinunter, bestellte eine zweite Flasche und entfernte sich aus dem Zimmer. Die Tafel war geendet, der junge Mensch kam nicht wieder. Der Portier hatte ihn schnell dem Neudorfer Tor zueilen gesehen. Die Bezahlung für das Kuvert lag auf dem Teller.
    Nun geriet der Ratsherr in gewaltigen Amtseifer, sprach von Nachsetzen, Steckbriefen etc. Der Alte erinnerte ihn aber an einen gewissen Vorfall, der ihm, als er bei ähnlichem Anlaß eine unzeitige Tätigkeit bewiesen, eine tüchtige Nase von der Landesbehörde zugezogen, und meinte, es möchte wohl besser sein, sich um den jungen Mann gar nicht weiter zu kümmern und die Sache ruhen zu lassen.
    Die ganze Gesellschaft stimmte dieser Meinung bei, und der Ratsherr ließ wirklich die Sache ruhen. –
    Während sich dies in Hohenflüh begab, war Haberlands Doppeltgänger, der junge Deodatus Schwendy, in einen neuen Zauberkreis bedrohlicher Abenteuer geraten.
    Mit magischer Gewalt hatte es ihn immer hingezogen nach dem verfallenen Schlosse.
    Als er einst, da es schon dämmerte, vor dem geheimnisvollen Erker stand und mit einer Sehnsucht, die er selbst nicht zu deuten wußte, hinaufblickte nach den erblindeten Fenstern, war es ihm, als gewahre er eine weiße Gestalt, und in demselben Augenblick fiel auch ein Stein zu seinen Füßen nieder. Er hob ihn auf und löste das Papier los, mit dem er umwickelt. Er fand folgende Worte mit Bleistift kaum leserlich hingekritzelt:
    >»Georg! – mein Georg! – ist es möglich? täuscht mich nicht mein aufgeregter Sinn? Du hier! – o ihr ewigen Himmelsmächte! – In diesen verfallenen Mauern liegt der Vater wie im Hinterhalt – ach! nur Böses brütend! Fliehe, fliehe, Georg, ehe des Vaters Zorn Dich erreicht! Doch nein – bleibe noch! – Ich muß Dich sehen – und ein einziger Augenblick seliger Wonne, dann fliehen! – bis Mitternacht ist der Vater abwesend. Komme! – über den Schloßhof – die hölzerne Treppe! doch nein, es ist nicht möglich. Des Försters Leute – schlafen sie auch, die wachen Hunde fallen Dich an! Auf der Südseite steht noch eine Treppe, die nach den Zimmern führt, doch ist sie morsch und verfallen – Du darfst es nicht wagen, aber ich komme herab! – O Georg, was vermag alle Arglist der Hölle gegen ein liebendes Herz. Natalie ist Dein – Dein auf ewig!« –
    »Sie ist es,« rief Deodatus ganz außer sich, »es ist kein Zweifel mehr, ja, sie ist es, der Traum des Knaben, die glühende Sehnsucht des Jünglings! – Hin zu ihr – um sie nie wieder zu lassen, aufgehen, lichtvoll aufgehen soll des Vaters dunkles Geheimnis! – Aber! – bin ich es denn? – bin ich der George?«
    Wie ein tötender

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