Werke
Fürstin vor der Mauer, die sie nicht zu erklettern vermochte. Doch alsbald senkte sich eine Strickleiter herab, wenige Sekunden, und sie war in Freiheit. –
Mit Jubel empfing sie die Zigeunerhorde, die ihrem Glauben gemäß in der vornehmen Frau, die dem Gefängnisse entflohen, einen Glücksstern fand, der ihnen aufgegangen. »Hoho,« sprach ein altes Zigeunerweib, »seht ihr denn nicht, wie die Fürstenkron’ auf ihrem Haupte funkelt! – solch ein Glanz kann nie verbleichen.«
Das wilde nomadische Herumstreifen der Zigeuner, ihr Treiben dunkler Wissenschaft, geheimnisvoller Kunst war der Fürstin wohltätig, denn indem ihre beinahe bis zum wirklichen Wahnsinn gesteigerte Überspannung frei ins Leben treten konnte, wurde sie versöhnt mit dem Leben. Das Kind wußten die Zigeuner geschickt unterzubringen bei einem alten frommen Landpriester. Es ist kaum nötig zu sagen, daß es die Fürstin war, die, als sie ruhiger geworden und des wilden Lebens satt, sich von der Horde getrennt hatte, auftrat als weise Frau mit dem Raben u.s.w., und ebenso ist es nun erklärt, warum Fürst Isidor, den Maler Georg Haberland und den jungen Deodatus Schwendy für eine und dieselbe Person und zwar für den jungen Fürsten haltend, sich den auf jede Weise vom Halse zu schaffen suchte, der allein ihm jede Hoffnung auf den Thron vereiteln konnte.
Wunderbar ist es, daß beide, Haberland und Schwendy, das geliebte Wesen längst träumten, das ihnen dann in vollem Leben entgegentrat; wunderbar, daß eben dieses Wesen Natalie, die Tochter des Fürsten Isidors, war, welche beide, der Graf von Törny und die Fürstin, als auserwählt ansahen, in der Verbindung mit dem Fürsten das dunkle Verhängnis, das bis dahin gewaltet, aufzuhalten, daß beide daher alle Mittel, die ihnen zu Gebote standen, aufbietend, dahin strebten, ein Paar zu vereinen, welches, wie sie wähnten, eine geheimnisvolle Verkettung der Dinge füreinander bestimmt hatte.
Man weiß, wie nun alle Pläne scheiterten, weil die Doppeltgänger auf ihren Wegen sich durchkreuzten, man weiß auch, wie, als der Fürst tödlich erkrankt, sich alle die, welche sein Gebot vertrieben hatte, wieder sammelten in seiner Nähe.
Achtes Kapitel
Also! – vor Entsetzen erstarrt, in den Boden festgewurzelt, standen die beiden Doppeltgänger sich gegenüber. Eine dumpfe Gewitterschwüle lag auf der ganzen Versammlung, jeder fragte im Herzen: »Welcher von beiden ist der Fürst?«
Der Graf von Törny brach zuerst das Stillschweigen, indem er dem Jüngling, der der Fürstin gefolgt, entgegentrat und wie in schmerzlicher Wonne rief: »Mein Sohn!« –
Da blitzten die Augen der Fürstin von strahlendem Feuer, und sie sprach mit niederschmetternder Hoheit: »Dein Sohn, Graf Törny? – Und wer ist der, der neben dir steht? – Der Räuber eines Throns, der diesem gebührt, der an meiner Brust gelegen?«
Fürst Isidorus wandte sich an die Versammlung und meinte, daß, da über die Person des jungen Fürsten und Thronfolgers vollkommene Ungewißheit herrsche, so sei es natürlich, daß weder der eine noch der andere der beiden Prätendenten den Thron besteigen könne, vielmehr werde es darauf ankommen, wer von beiden seine rechtmäßige Geburt am besten und glaubhaftesten ausführen werde.
Einer solchen Ausführung, versicherte der Graf von Törny, bedürfe es ganz und gar nicht, da er imstande sei, in wenigen Minuten die Versammlung davon zu überzeugen, daß sein Zögling der Sohn des verstorbenen Fürsten Remigius, mithin dessen rechtmäßiger Thronfolger sei.
Das, was der Graf von Törny der Versammlung jetzt vortrug, bestand in folgendem:
Zu sehr war die vertrauteste Dienerschaft des Fürsten Remigius dem Grafen ergeben, als daß dieser nicht von dem Entschluß des Fürsten unterrichtet sein, ja nicht den Augenblick hätte wissen sollen, der zur Fortschaffung der Fürstin und ihres Kindes bestimmt worden. Der Graf übersah die Gefahr, in die der Thronerbe geriet, die Verwirrung, die vielleicht künftig die Ähnlichkeit des Kindes mit dem seinigen veranlassen, das Unglück, welches nach dem Tode des Fürsten einbrechen konnte. Er beschloß allem vorzubeugen.
Es gelang ihm in später Nacht in Begleitung zweier vertrauter Räte, des Vorstehers des geheimen Archivs, des Leibdoktors, des Wundarztes und eines alten Kammerdieners in das Vorzimmer der Fürstin zu gelangen. Die alte, ebenfalls ins Vertrauen gezogene Wärterin brachte das Kind herbei, während die Fürstin eingeschlummert;
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