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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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diesem, das in einem durch narkonsche Mittel hervorgebrachten Schlaf lag, wurde nun von dem Wundarzt ein kleines Zeichen auf die linke Brust gebrannt, dann nahm es der Graf Törny und übergab der Wärterin sein eignes Kind. Über den ganzen Hergang der Sache wurde ein genauer Akt aufgenommen und derselbe, dem eine Abbildung des eingebrannten Zeichens beigefügt, von allen gegenwärtigen Personen unterschrieben und besiegelt, dem Archivarius übergeben zur Aufbewahrung im geheimen fürstlichen Archiv.
    So geschah es, daß der Sohn des Grafen Törny mit der Fürstin fortgebracht und der junge Fürst von dem Grafen von Törny auferzogen wurde, für seinen Sohn geltend.
    Die Gräfin, niedergebeugt von Gram, trostlos über das heillose Geschick ihrer Herzensfreundin, starb bald nach ihrer Ankunft in der Schweiz.
    Von den Personen, die damals bei dem Akt gegenwärtig gewesen waren, lebten noch der Wundarzt, der Archivarius, die Wärterin und der Kammerdiener; auf Graf Törnys Veranstaltung hatten sich alle eingefunden auf dem Schlosse.
    Der Archivarius brachte nun den Akt herbei, der im Beisein der vorhin genannten Personen geöffnet und von dem Präsidenten des Staatsrats laut verlesen wurde.
    Der junge Fürst entblößte die Brust, das Zeichen wurde gefunden, jeder Zweifel war gehoben, und heiße Segenswünsche ertönten aus der Brust der treusten Vasallen.
    Mit dem Ausdruck des tiefsten Ingrimms hatte sich Fürst Isidor entfernt, während der Akt verlesen wurde. – Als nun die Fürstin sich allein befand mit dem Grafen von Törny und den beiden Jünglingen, da war es, als wollte ihre Brust zerspringen, nicht mehr vermögend, den Sturm der mannigfachsten Gefühle zu bergen. Ungestüm warf sie sich an die Brust des Grafen und rief, wie ganz aufgelöst in schmerzlicher Wonne: »O Törny! dein Kind, deinen Sohn hast du verstoßen, um den zu retten, der unter diesem Herzen lag! – Aber ich bringe ihn dir wieder, den Verlornen! – O Törny, wir gehören nicht mehr der Erde an, kein irdischer Gram hat hinfort Macht über uns! – Laß uns die Ruhe, die Seligkeit des Himmels genießen! – Über uns schwebt sein versöhnter Geist! – Doch was vergaß ich! – sie harrt, sie harrt, die selige Braut!« –
    Damit ging die Fürstin in ein Nebenzimmer und kam zurück mit der bräutlich geschmückten Natalie. Keines Wortes mächtig, hatten sich bis jetzt die Jünglinge angestarrt mit Blicken, in denen sich ein unheimliches Grauen abspiegelte. In dem Augenblick, als die Jünglinge Natalien erblickten, schien ein zündender Blitzstrahl sie zu beleben; mit dem lauten Ausruf: »Natalie!« stürzten sie beide los auf das holde Engelskind. Aber auch Natalien faßte tiefes Entsetzen, als sie die beiden Jünglinge gewahrte, ein Doppeltbild des Geliebten, den sie im Herzen getragen.
    »Ha!« rief nun wild der junge Törny, »ha! Fürst, bist du, du der Hölle entstiegene Doppeltgänger, der mir mein Ich gestohlen, der mir Natalien zu rauben, der mir das Leben aus der zerfleischten Brust zu reißen trachtet? – Eitler, wahnsinniger Gedanke! Sie ist mein, mein!«
    Darauf der junge Fürst: »Was drängst du dich in mein Ich? – Was habe ich mit dir zu schaffen, daß du mich äffst mit meinem Antlitz, mit meiner Gestalt! – Fort! hinweg – mein ist Natalie!«
    »Entscheide, Natalie!« schrie nun Törny, »sprich – schworst du nicht Treue mir tausendmal in jenen seligen Stunden, als ich dich malte, als« – »Ha,« unterbrach ihn der Fürst, »gedenke jener Stunde in dem verfallnen Schloß, als du mir folgen wolltest« – und nun riefen beide wild durcheinander: »Entscheide, Natalie, entscheide,« und dann einer wieder zum andern: »Laß sehen, wem es gelingt, sich den Doppeltgänger vom Halse zu schaffen – bluten, bluten sollst du, bist du kein satanisches Trugbild der Hölle!«
    Da rief Natalie im Jammerton trostloser Verzweiflung: »Gerechter Gott! wer ist es, wer von beiden, den ich liebe? – Ist dies Herz zerspalten und kann doch leben? – Gerechter Gott – laß mich sterben, sterben in diesem Augenblick!« – Tränen erstickten ihre Stimme. – – Dann beugte sie das Haupt, hielt beide Hände vors Gesicht, es war, als ob sie hineinschauen wollte in ihre eigne innerste Brust. Dann sank sie nieder auf die Knie, erhob den tränenschweren Blick, die gefalteten Hände, wie brünstig betend, und sprach leise, mit dem Ton der innigsten herzdurchbohrendsten Wehmut: »Entsaget!«
    »Es ist,« sprach die Fürstin mit verklärter

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