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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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Entschluß.
    In dem Glashause des Professors Ignaz Helms stand der junge Student Eugenius und betrachtete die schönen hochroten Blüten, die die königliche Amaryllis (Amaryllis reginae) eben zur Morgenzeit entfaltet.
    Es war der erste milde Februarstag. Hell und freundlich leuchtete das reine Azur des wolkenlosen Himmels, strahlte die Sonne hinein durch die hohen Glasfenster. Die Blumen, die noch in grüner Wiege schlummerten, rührten sich wie im ahnenden Traum und trieben die saftigen Blätter empor, aber der Jasmin, die Reseda, die immerblühende Rose, der Schneeball, das Veilchen erfüllten, ins neue blühende Leben erwacht, das Haus mit den süßesten, lieblichsten Düften, und hin und wieder flatterten schon Vögelein, die sich schüchtern hervorgewagt, aus dem warmen Nest, hinan und pickten an die Scheiben, als wollten sie sehnsüchtig den schönen bunten Frühling herauslocken, der in dem Hause verschlossen.
    »Armer Helms,« sprach Eugenius mit tiefer Wehmut, »armer alter Helms, alle diese Pracht, alle diese Herrlichkeit schaust du nicht mehr! – Deine Augen schlossen sich für immer, du ruhst in kalter Erde! – Doch nein, nein! ich weiß es ja, du bist unter all deinen lieben Kindern, die du so treulich hegtest und pflegtest, und keines, dessen frühen Tod du beklagtest, ist gestorben, und nun erst verstehest du ganz ihr Leben und ihre Liebe, die du nur zu ahnen vermochtest.« –
    In dem Augenblick klapperte und hantierte das kleine Gretchen mit der Gießkanne gar sehr unter den Blumen und Pflanzen umher. –
    »Gretchen, Gretchen!« rief Eugenius, »was machst du denn? ich glaube beinahe, du begießest schon wieder die Pflanzen ganz und gar zu unrechter Zeit und verdirbst, was ich sorglich gepflegt.« – Dem armen Gretchen wäre beinahe die gefüllte Gießkanne aus den Händen gefallen.
    »Ach, lieber Herr Eugenius,« sprach sie, indem ihr die hellen Tränen in die Augen traten, »schelten Sie doch nur nicht, sein Sie doch nur nicht böse. Sie wissen ja, ich bin ein dummes, einfältiges Ding, ich denke immer, die armen Stauden und Sträucher, die hier im Hause kein Tau, kein Regen erquickt, schauten mich verschmachtend an, und ich müsse ihnen Speis’ und Trank reichen.« – »Naschwerk,« fiel ihr Eugenius in die Rede, »Naschwerk, Gretchen, verderbliches Naschwerk ist ihnen das jetzt, woran sie erkranken und sterben. Überhaupt, du meinst es gut mit den Blumen, ich weiß es, aber es fehlt dir ganz an botanischer Kenntnis, und du gibst dir, meines sorgsamen Unterrichts unerachtet, gar keine Mühe mit dieser Wissenschaft, die doch jedem Frauenzimmer wohl ansteht, ja unentbehrlich ist, denn sonst weiß ein Mädchen ja nicht einmal, zu welcher Klasse und Ordnung die schön duftende Rose gehört, mit der es sich schmückt, und das ist doch sehr schlimm. Sag’ einmal, Gretchen, was sind das für Pflanzen dort in jenen Töpfen, die nun bald blühen werden?« »Ja!« rief Gretchen freudig, »das sind ja meine lieben Schneeglöckchen!« »Siehst du,« sprach Eugenius weiter, »siehst du nun wohl, Gretchen, daß du nicht einmal deine Lieblingsblumen richtig zu benennen weißt! Galanthus nivalis mußt du sagen.« –
    »Galanthus nivalis,« sprach Gretchen leise nach, wie in scheuer Ehrfurcht. – »Ach, lieber Herr Eugenius!« rief sie dann aber, »das klingt sehr schön und vornehm, aber es ist mir so, als wenn das gar nicht mein liebes Schneeglöckchen sein könne. Sie wissen ja, wie ich sonst, da ich noch ein Kind« – »Bist du es nicht mehr, Gretchen?« fiel ihr Eugenius in die Rede. »Ei nun,« erwiderte Gretchen, bis unter die Augen errötend, »wenn man in das vierzehnte Jahr getreten, rechnet man sich doch wohl nicht mehr zu den Kindern.« – »Und doch,« sprach Eugenius lächelnd, »und doch ist es nicht so lange her, daß die große neue Puppe –«
    Schnell wandte sich Gretchen ab, sprang auf die Seite und machte sich mit den Töpfen zu schaffen, die dort auf dem Fußboden standen, sich zu ihnen niederkauernd. –
    »Sei nicht böse, Gretchen,« fuhr Eugenius sanft fort; »bleibe immer das gute, fromme liebe Kind, das Vater Helms der bösen Verwandtin entriß und dann samt seiner edlen Frau so hielt, als wär’s die eigne Tochter. – Doch du wolltest mir etwas erzählen!«
    »Ach,« erwiderte Gretchen kleinlaut, »ach, lieber Herr Eugenius, das ist wohl wieder albernes Zeug, was mir in den Kopf gekommen, aber da Sie es wünschen, will ich nur alles ganz ehrlich gestehen. Wie Sie meine

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