Werke
Alpenglöckchen so vornehm nannten, da fiel mir Fräulein Röschen ein. Ich und sie, nun, Sie wissen es ja, Herr Eugenius, wir waren sonst ein Herz und eine Seele und spielten, als wir – noch Kinder, gar zu gerne miteinander. Aber eines Tages, es mag wohl jetzt ein Jahr her sein – war Röschen so ernst, so sonderbar gegen mich in ihrem ganzen Betragen und sagte, ich sollte sie nicht mehr Röschen nennen, sondern Fräulein Rosalinda. – Ich tat das, aber seit dem Augenblicke wurde sie mir immer fremder und fremder – ich hatte mein liebes Röschen verloren. So, denk’ ich, wird es mir auch mit meinen lieben Blumen gehen, wenn ich sie plötzlich mit fremden stolzen Namen anreden sollte.«
»Hm,« sprach Eugenius, »es ist zuweilen etwas in deinen Worten, Gretchen, was ganz seltsam und sonderbar klingt. Man weiß ganz genau, was du sagen willst, und versteht doch eigentlich nicht, was du gesprochen. Aber das tut der herrlichen botanischen Wissenschaft nicht den mindesten Abbruch, und wenn auch dein Röschen jetzt Fräulein Rosalinda geworden, darfst du doch dich wohl um die Namen deiner Lieblinge, wie sie in der vornehmen, studierten Welt genannt werden, ein wenig bekümmern. – Nütze meinen Unterricht! – Für jetzt, mein gutes, liebes Mädchen, sieh aber nach den Hyazinthen. Schiebe den Og roi de Buzan und die Gloria solis mehr ins Sonnenlicht. Aus der Péruque quarrée scheint nicht viel werden zu wollen. Der Emilius Graf Bühren, der im Dezember so stolz blühte, ist schon zur Ruhe gegangen, der hält’s nicht lange aus; aber der Pastor fido läßt sich hübsch an. Den Hugo Grotius, den magst du tapfer begießen, der muß noch tüchtig ins Wachstum.« –
Indem Gretchen, die aufs neue hoch errötet, als Eugenius sie sein gutes, liebes Mädchen nannte, ganz Freude und Lust, zu tun begann, was ihr geheißen, trat die Professorin Helms in das Glashaus. Eugenius machte sie darauf aufmerksam, wie herrlich schon der Frühlingsflor beginne, und rühmte vorzüglich die blühende Amaryllis reginae, die der selige Herr Professor beinahe noch höher geschätzt als die Amaryllis formosissima, weshalb er sie dann auch ganz besonders hege und pflege, seinem teuern Lehrer und Freunde zum steten Andenken.
»Sie haben,« sprach die Professorin gerührt, »Sie haben ein herzlich gutes kindliches Gemüt, lieber Herr Eugenius, und keinen von allen seinen Schülern, die denn so nach und nach ins Haus gekommen sind, hat mein verstorbener Mann so geschätzt, so väterlich geliebt als Sie. Aber keiner hat meinen Helms auch so verstanden, keiner ist seinem Innersten so verwandt gewesen, keiner so in das recht Wahre und Eigentümliche seiner Wissenschaft eingedrungen als Sie. ›Der junge Eugenius‹, pflegte er oft zu sagen, ›ist ein treuer, frommer Jüngling, deshalb lieben ihn die Gewächse, Pflanzen, Bäume und gedeihen fröhlich unter seiner Pflege. Ein feindliches, störrisches, ruchloses Gemüt, das ist der Satan, der das Unkraut säet, welches wild aufwuchert und vor dessen giftigem Hauch die Gotteskinder absterben.‹ – Gotteskinder nannte er ja seine Blumen.«
Dem Eugenius standen die Tränen in den Augen. »Ja, liebe hochverehrte Frau Professorin,« sprach er, »diese fromme Liebe will ich treu bewahren, und fortblühen in herrlichem Gedeihen soll dieser schöne Tempel meines Lehrers, meines Vaters, solange noch ein Hauch des Lebens in mir ist. – Wenn Sie es erlauben, Frau Professorin, so will ich jetzt, wie es der Herr Professor zu tun pflegte, hier das kleine Stübchen neben dem Glashause beziehen, dann hab’ ich alles besser im Auge.« –
»Eben,« erwiderte die Professorin, »eben fiel es mir recht schwer aufs Herz, daß nun es wohl bald mit der Herrlichkeit dieser Blumenpracht ein Ende haben wird. Ich verstehe mich wohl auch recht gut auf die Pflege der Gewächse und Pflanzen und bin, wie Sie wissen, in der Wissenschaft meines Mannes nicht unerfahren. Aber du lieber Gott, eine alte Frau wie ich, mag die so rührig sein, alles in Obhut zu halten wie ein junger rüstiger Mensch, fehlt es ihr auch gar nicht an Liebe dafür? – Und da wir uns nun trennen müssen, lieber Herr Eugenius –«
»Wie!« rief Eugenius voller Schreck, »wie, Sie wollen mich verstoßen, Frau Professorin?« –
»Geh,« sprach die Professorin zu Gretchen, »geh, liebes Gretchen, ins Haus und hole mir einmal das große Umschlagetuch, es ist doch noch recht kühl.«
Als Gretchen fort war, begann die Professorin sehr ernst: »Wohl
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