Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
Vom Netzwerk:
Lächeln durch des Mädchens Tränen. Sie seufzte tief, der Schmerz schien gebrochen und das Gefühl unbeschreiblicher Lust, süßer Wehmut sie zu durchdringen.
    »Ich bin,« lispelte sie leise mit niedergeschlagenen Augen, »ich bin wohl ein dummes, einfältiges Ding, und es ist alles nur Einbildung, lauter Einbildung! – Und doch,« rief sie dann stärker, indem ihr Tränen wieder aus den Augen stürzten, »und doch ist es so – doch ist es so!«
    »So fasse,« sprach Eugenius ganz bestürzt, »so fasse dich doch nur, liebes Gretchen, und erzähle, vertraue mir, was dir denn Böses geschehen, was dich so tief erschüttert hat.«
    Endlich kam Gretchen zu Worten. Sie erzählte, wie in Eugenius’ Abwesenheit ein fremder Mann plötzlich durch die Türe, die sie zu verriegeln vergessen, in den Garten getreten und sehr eifrig nach ihm gefragt habe. Der Mann habe in seinem ganzen Wesen was Besonderes gehabt, sie aber mit solchen seltsamen, feurigen Augen angeblickt, daß ihr es ganz eiskalt durch alle Glieder gefahren sei und sie vor lauter Angst und Bangigkeit kaum ein Glied rühren können. Dann habe der Mann sich in ganz wunderlichen Worten, die sie, da er überhaupt gar kein rechtes Deutsch gesprochen, kaum verstanden, nach diesem, jenem erkundigt und zuletzt gefragt – hier stockte Gretchen plötzlich, indem ihre Wangen Feuerlilien glichen. Als nun aber Eugenius in sie drang, alles, alles herauszusagen, erzählte sie weiter, daß der Fremde sie gefragt, ob sie nicht dem Herrn Eugenius recht gut sei. Recht aus der Seele, habe sie erwidert, o ja, recht von Herzen! Da sei der Fremde dicht an sie herangetreten und habe sie wieder mit jenem abscheulichen Blick ordentlich durchbohrt, so daß sie die Augen niederschlagen müssen. Noch mehr! recht frech und unverschämt habe der Fremde sie auf die Wangen geklopft, die ihr vor lauter Angst und Bangigkeit gebrannt, dabei gesagt: »Du niedliche hübsche Kleine, ja recht gut sein, recht gut sein!« und dann so hämisch gelacht, daß ihr das Herz im Leibe gezittert. In dem Augenblick sei die Frau Professorin ans Fenster getreten, und der Fremde habe gefragt, ob das die Frau Gemahlin des Herrn Eugenius sei, und als sie erwidert, ja, es sei die Mutter, recht höhnisch gerufen: »Ei, die schöne Frau! – Du bist wohl eifersüchtig, Kleine?« – hierauf wieder so hämisch und arglistig gelacht, wie sie es nie von einem Menschen gehört, dann aber, nachdem er die Frau Professorin nochmals recht scharf ins Auge gefaßt, sich schnell aus dem Garten entfernt.
    »Aber,« sprach nun Eugenius, »aber in diesem allem, liebes Gretchen, finde ich noch gar nichts, das dich so tief, so gar schmerzlich hätte betrüben können.«
    »O Herr,« brach Gretchen los, »o Herr des Himmels, wie oft hat die Mutter mir gesagt, daß Teufel in menschlicher Gestalt auf der Erde umherwandelten, die überall Unkraut unter den Weizen säeten, die den Guten allerlei verderbliche Schlingen legten! – O gütiger Gott! – der Fremde, er war der Teufel, der –«
    Gretchen stockte. Eugenius hatte gleich gemerkt, daß der Fremde, der Gretchen im Garten überrascht, niemand anders gewesen sein konnte als der Spanier Fermino Valies, und wußte nun recht gut, was Gretchen sagen wollte.
    Nicht wenig darüber betreten, fragte er nun kleinmütig, ob er sich denn wirklich seit einiger Zeit in seinem Betragen geändert habe.
    Da strömte alles heraus, was Gretchen in der Brust verschlossen. Sie hielt dem Jüngling vor, daß er jetzt im Hause stets trübe, in sich verschlossen, wortkarg, ja zuweilen so ernst und finster sei, daß sie es gar nicht wage, ihn anzureden. Daß er keinen Abend mehr sie seines Unterrichts würdige, der ihr, ach, so lieb, ja wohl das Beste gewesen, was sie auf der Welt gehabt. Daß er gar keine Freude mehr an den schönen Gewächsen und Blumen habe – ach! daß er gestern auf die so herrlich blühenden Balsaminen, die sie allein so sorgsam gezogen, auch nicht einen Blick geworfen, daß er überhaupt gar nicht mehr der liebe gute –
    Ein Tränenstrom erstickte Gretchens Worte.
    »Sei ruhig, laß keine törichten Einbildungen in dir aufkommen, mein gutes Kind!« – Sowie Eugenius diese Worte sprach, fiel sein Blick auf Gretchen, die sich von der Bank, auf der sie gesessen, erhoben, und als zerstreuten sich plötzlich Zaubernebel, die ihn geblendet, gewahrte er nun erst, daß nicht ein Kind, daß eine sechzehnjährige Jungfrau in der höchsten Anmut des entfalteten Jugendreizes vor ihm stand.

Weitere Kostenlose Bücher