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Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
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Wanderleben an Provinzialtheatern und gutsherrlichen Orchestern zu fuhren. Was ihn aufrecht erhalten hatte, war einzig und allein die stete, unwandelbare Idee gewesen, sich endlich aus dieser unwürdigen Lage herauszuarbeiten, Geld zusammenzusparen und nach Petersburg zu gelangen. Aber diese Idee war unklar und verschwommen gewesen, eine Art von unwiderstehlichem inneren Drange, der schließlich mit den Jahren seine erste Klarheit in Jefimows eigenen Augen verloren hatte; und daß er nun endlich wirklich nach Petersburg gekommen war, war eine beinah unbewußte Handlung gewesen, beruhend auf der steten alten Gewohnheit, diese Reise zu ersehnen und zu überdenken, und er wußte selbst kaum, was er nun eigentlich in der Residenz tun solle. Sein Enthusiasmus hatte etwas Krampfhaftes, Galliges, Stoßweises, als wenn er sich selbst mittels dieses Enthusiasmus täuschen und sich einreden wollte, daß seine erste Kraft, seine erste Glut, seine erste Begeisterung noch nicht erloschen seien. Dieser stete Zustand der Verzückung imponierte dem kühlen, methodischen B... zunächst, er ließ sich dadurch blenden und sah in meinem Stiefvater ein großes künftiges musikalisches Genie. Anders konnte er sich das künftige Schicksal seines Freundes gar nicht vorstellen. Aber bald gingen ihm die Augen auf, und er erkannte das wahre Wesen des andern. Er sah klar, daß dieser ganze ruckweise Eifer, diese Fieberhitze und Ungeduld nichts anderes waren als unbewußte Verzweiflung bei der Erinnerung an ein zugrunde gegangenes Talent; daß auch dieses Talent selbst vielleicht schon gleich am Anfang überhaupt nicht so groß gewesen war; daß dabei viel Verblendung mit im Spiel war, viel unbegründetes Selbstvertrauen und stetes Phantasieren von der eigenen Genialität. „Aber“, erzählte B..., „ich konnte nicht umhin, die seltsame Natur meines Freundes zu bewundern. Vor meinen Augen vollzog sich offen das verzweifelte, fieberhafte Ringen eines krampfhaft angespannten Willens mit der innerlichen Ohnmacht. Der Unglückliche hatte ganze sechs Jahre lang seine Befriedigung lediglich in Träumereien von seinem künftigen Ruhme gesucht und infolgedessen gar nicht bemerkt, wie ihm die Elemente unserer Kunst abhanden kamen, wie ihm sogar die gewöhnliche technische Gewandtheit verloren ging. Aber dabei schossen in seiner ungeordneten Phantasie fortwährend die grandiosesten Pläne für die Zukunft auf. Nicht genug, daß er ein erstklassiges Genie sein wollte, einer der ersten Geiger der Welt; nicht genug, daß er sich schon für ein solches Genie hielt: er dachte sogar daran, Komponist zu werden, obwohl er vom Kontrapunkt absolut nichts verstand. Aber am meisten versetzte es mich in Erstaunen“, fuhr B... fort, „daß dieser Mensch trotz seiner vollständigen Kraftlosigkeit, trotz seiner ganz unzulänglichen Kenntnisse der Technik doch ein so tiefes, so klares und man kann sagen so instinktives Verständnis für die Kunst besaß. Er hatte für sie innerlich ein so starkes Gefühl und Verständnis, daß es nicht zu verwundern ist, wenn er sich in der Beurteilung seiner eigenen Person irrte und sich statt für einen Kunstkritiker von tiefem, instinktivem Gefühl vielmehr für „einen Priester der Kunst, für ein Genie hielt. Manchmal gelang es ihm, mir in seiner ungebildeten, einfachen, von aller Wissenschaftlichkeit weit entfernten Sprache so tiefe Wahrheiten zu sagen, daß ich ganz starr war und nicht begreifen konnte, auf welche Weise er das alles erraten hatte, obgleich er nie etwas las, nie etwas studierte. Ich verdanke“, fügte B... hinzu, „ihm und seinen Ratschlägen viel Beihilfe bei meiner eigenen Vervollkommnung. Was mich selbst anlangt“, fuhr B... fort, „so war ich in betreff meiner ganz ruhig. Auch ich liebte meine Kunst leidenschaftlich, wiewohl ich gleich beim Anfang meiner Laufbahn wußte, daß aus mir nichts Großes werden würde, daß ich im wahren Sinne des Wortes ein geringer Diener der Kunst sein würde; aber andrerseits bin ich stolz darauf, daß ich das Pfund, das mir die Natur gegeben hat, nicht wie ein fauler Knecht vergraben, sondern hundertfältig vermehrt habe, und wenn man die Sauberkeit meines Spieles lobt und meine sorgsam ausgearbeitete Technik bewundert, so verdanke ich das alles meiner ununterbrochenen, unermüdlichen Arbeit, der klaren Erkenntnis meiner Kräfte, der freiwilligen Selbstbescheidung und dem steten Kampfe mit dem Eigendünkel, der verfrühten Selbstgefälligkeit und der Trägheit, die die

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