Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
Vom Netzwerk:
selbstverständlich in einem irregulären Zustande, im Zustande des Ringens, befand, war der Stolz. Dieser Stolz ging bis zu naiver Kleinlichkeit und führte zur Selbstüberschätzung, dergestalt, daß z.B. Widerspruch, von welcher Art er auch sein mochte, sie nicht kränkte, auch nicht ärgerte, sondern sie nur in Erstaunen versetzte. Sie konnte nicht begreifen, daß irgend etwas anders gehen sollte, als sie wünschte. Aber das Gerechtigkeitsgefühl trug in ihrem Herzen doch immer den Sieg davon. Wenn man sie davon überzeugen konnte, daß sie im Unrecht war, so fügte sie sich dem Verdikt sogleich ohne Murren und ohne Zaudern. Und wenn sie bisher in ihren Beziehungen zu mir sich selbst untreu geworden war, so erkläre ich mir das alles aus einer unüberwindlichen Antipathie gegen mich, durch die eine Zeitlang die Harmonie ihres ganzen Wesens beeinträchtigt wurde; es konnte gar nicht anders sein: sie gab sich zu leidenschaftlich ihren Affekten hin und konnte immer erst durch das Beispiel anderer und durch eigene Erfahrung wieder auf den richtigen Weg geführt werden. Alles, was sie unternahm, hatte einen schönen, wahren Erfolg; aber dieser Erfolg wurde durch ununterbrochene Verfehlungen und Irrungen erkauft.
    Katja war es sehr bald satt geworden, mich zu beobachten, und entschied sich endlich dafür, mich in Ruhe zu lassen. Sie tat so, als ob ich überhaupt nicht im Hause wäre, und richtete kein überflüssiges Wort an mich, ja kaum die nötigsten; von ihren Spielen war ich ausgeschlossen, und zwar nicht gewaltsam, sondern in so geschickter Weise, wie wenn ich mich selbst damit einverstanden erklärt hätte. Der Unterricht nahm seinen ordnungsmäßigen Fortgang, und wenn ich ihr als Muster für schnelle Auffassung und ruhiges Wesen hingestellt wurde, so hatte ich jetzt nicht mehr die Ehre, ihren Ehrgeiz zu kränken, der sonst außerordentlich empfindlich war, so daß sogar unsere Bulldogge Sir John Falstaff ihn verletzen konnte. Falstaff war kaltblütig und phlegmatisch, aber böse wie ein Tiger, wenn er gereizt wurde, so böse, daß er dann sogar seinem Herrn den Gehorsam versagte. Noch ein Zug von diesem Hunde: er konnte schlechterdings niemanden leiden; aber sein ärgster natürlicher Feind war unstreitig die alte Prinzessin. Aber davon später. Die ehrgeizige Katja suchte mit allen Mitteln Falstaffs Unliebenswürdigkeit zu besiegen; es war ihr unangenehm, daß es auch nur ein einziges Wesen im Hause gab, das ihre Autorität, ihre Macht nicht anerkannte, sich nicht vor ihr beugte, sie nicht liebte. Und so beschloß denn die Prinzessin, ihrerseits einen Angriff auf Falstaff zu unternehmen. Sie wollte allen befehlen, alle beherrschen; wie durfte da Falstaff sich seinem Schicksal entziehen? Aber die unbeugsame Bulldogge wollte sich nicht ergeben.
    Eines Tages nach dem Mittagessen, als wir beide unten in dem großen Saale saßen, legte sich der Hund mitten im Zimmer hin und ergab sich träge dem Genusse seiner Siesta. In diesem Augenblick kam der Prinzessin der Einfall, ihn ihrer Oberhoheit zu unterwerfen. Sie brach ihr Spiel ab, und indem sie Falstaff mit den zärtlichsten Schmeichelnamen titulierte und freundlich mit der Hand lockte, näherte sie sich ihm vorsichtig auf den Fußspitzen. Aber Falstaff fletschte schon von weitem sein furchtbares Gebiß; die Prinzessin blieb stehen. Ihre ganze Absicht bestand darin, zu Falstaff heranzugehen, ihn zu streicheln, was er schlechterdings niemandem als der Fürstin erlaubte, deren Liebling er war, und ihn dazu zu veranlassen, daß er ihr folge: eine schwierige Heldentat, die mit ernstlicher Gefahr verknüpft war, da Falstaff sich nicht bedacht haben würde, ihr die Hand abzubeißen oder sie selbst zu zerreißen, wenn er das für nötig finden sollte. Er war stark wie ein Bär, und voll Unruhe und Angst verfolgte ich aus der Entfernung Katjas Vorgehen. Aber es war nicht leicht, sie so ohne weiteres von einem Vorhaben abzubringen, und sogar Falstaffs Zähne, die er in sehr unhöflicher Manier zeigte, waren entschieden nicht imstande, dies zu leisten. Als sie sich zu ihrem Erstaunen davon überzeugt hatte, daß sie nicht direkt auf ihn zugehen könne, begann sie im Kreise um ihren Feind herumzugehen. Falstaff rührte sich nicht vom Fleck. Katja beschrieb einen zweiten Kreis mit erheblich kleinerem Durchmesser, dann einen dritten; aber als sie bis zu einer Stelle kam, die Falstaff als geheiligte Grenze betrachtete, fletschte er von neuem die Zähne. Die Prinzessin stampfte

Weitere Kostenlose Bücher