Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)
wurde etwas umgestoßen und zerbrach; ein paar Bücher flogen auf den Fußboden; der Reifen klapperte und sprang durch alle Zimmer – kurz, ich merkte, daß Katja sich mit ihrem Vater ausgesöhnt hatte, und mein Herz erzitterte vor Freude.
Aber zu mir kam sie nicht und wollte Gesprächen mit mir offenbar aus dem Wege gehen. Dafür hatte ich die Ehre, im höchsten Grade ihre Neugier zu erregen. Es kam immer häufiger vor, daß sie sich mir gegenübersetzte, um mich bequemer zu betrachten. Die Art, in der sie mich beobachtete, wurde immer ungenierter; kurz, das verwöhnte, eigenwillige Kind, das alle Leute im Hause verzogen und hätschelten und wie einen Schatz hüteten, konnte nicht begreifen, wie ich schon mehreremal ihre Wege ohne ihre Bewilligung gekreuzt hatte. Aber sie war ein prächtiges, gutes Herzchen, das immer schon durch den bloßen Instinkt den rechten Weg für sich zu finden verstand. Am meisten Einfluß hatte auf sie ihr Vater, den sie vergötterte. Die Mutter hegte für sie eine maßlose Liebe, war aber dabei furchtbar streng gegen sie. Von ihr hatte Katja ihren Eigensinn, ihren Stolz und ihre Charakterfestigkeit angenommen; aber sie mußte an ihrer eigenen Person alle Launen der Mutter ertragen, die sogar bis zur Tyrannei auf geistigem Gebiete gingen. Die Fürstin hatte seltsame Begriffe von Erziehung, und Katjas Erziehung war infolgedessen eine wunderliche Mischung von unverständiger Verwöhnung und unerbittlicher Strenge. Was gestern erlaubt wurde, wurde auf einmal ohne jeden Grund heute verboten, und das Gerechtigkeitsgefühl des Kindes wurde auf das Empfindlichste beleidigt. Aber davon werde ich noch später zu reden haben. Ich bemerke hier nur noch, daß das Kind es bereits verstand, sein Verhältnis gegen die Mutter und gegen den Vater zu regeln. Dem letzteren gegenüber gab sie sich ganz, wie sie war, aufrichtig und offen, ohne alle Heimlichkeit. Im Verkehr mit der Mutter war sie ganz das Gegenteil: verschlossen, mißtrauisch, widerspruchslos gehorsam. Aber ihr Gehorsam ging nicht aus aufrichtiger Überzeugung hervor, sondern beruhte auf der Erkenntnis, daß es unumgänglich notwendig sei, hier zu gehorchen. Ich werde das später noch erklären. Übrigens muß ich zur besonderen Ehre meiner Katja sagen, daß sie denn doch für ihre Mutter Verständnis hatte und, wenn sie sich ihr unterordnete, dies in voller Würdigung der grenzenlosen Liebe derselben tat, die manchmal bis zu krankhafter Überspannung ging. Diesen letzteren Umstand zog die Prinzessin großmütig in Rechnung. Aber dieses in Rechnung Ziehen half später dem heißblütigen Persönchen leider wenig!
Aber was in mir selbst vorging, begriff ich kaum. Mein ganzes Inneres war durch ein neues, unerklärliches Gefühl in Aufregung gekommen, und ich übertreibe nicht, wenn ich sage, daß dieses neue Gefühl mich quälte und peinigte. Kurz (man wolle mir diesen Ausdruck verzeihen!), ich war in meine Katja verliebt. Ja, das war Liebe, echte Liebe, eine Liebe mit Tränen und Freuden, eine leidenschaftliche Liebe. Was war es, das mich so zu ihr hinzog? Woher war diese Liebe entstanden? Sie hatte beim ersten Blick auf Katja begonnen, als alle meine Gefühle durch die Erscheinung des engelschönen Kindes in süße Erregung geraten waren. Alles an ihr war schön; kein einziger ihrer Fehler war ihr angeboren; alle waren nur angenommen, und alle befanden sich im Zustande des Ringens. Überall sah man den schönen Grundstoff, der nur zeitweilig eine falsche Form angenommen hatte; aber alles an ihr, nicht zum wenigsten dieses Ringen selbst, erweckte eine erfreuliche Hoffnung und weissagte eine erfreuliche Zukunft. Alle freuten sich über sie, alle liebten sie, nicht ich allein. Wenn wir gewöhnlich um drei Uhr spazieren geführt wurden, blieben alle Passanten, kaum daß sie sie erblickt hatten, überrascht stehen, und nicht selten erscholl ein Ausruf der Bewunderung hinter dem glücklichen Kinde. Sie war dazu geboren, glücklich zu sein; anders konnte es gar nicht sein: das war meine erste Empfindung bei der Begegnung mit ihr. Vielleicht regte sich damals bei mir zum ersten Male das ästhetische Gefühl, das Gefühl für das Schöne, und äußerte sich zum erstenmal, hervorgerufen durch eine solche Schönheit – und das war vielleicht die ganze Ursache der Entstehung meiner Liebe. Der Hauptfehler der Prinzessin oder, richtiger gesagt, das Hauptelement ihres Charakters, das unaufhaltsam danach strebte, seine natürliche Form anzunehmen, und sich
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