Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)
mußte.
Und da gestand nun die Mutwillige erstens, sie habe beabsichtigt, auf das Kleid der alten Dame eine Visitenkarte zu kleben; ferner, ihr Falstaff unter das Bett zu setzen; dann, ihr die Brille zu zerbrechen, ihr alle ihre frommen Bücher fortzuschleppen und ihr dafür französische Romane von Mama zu bringen; dann, sich Knallerbsen zu beschaffen und sie auf dem Fußboden auszustreuen; dann, ihr ein Spiel Karten in die Tasche zu praktizieren usw. usw. Kurz, eine dieser beabsichtigten Unarten war schlimmer als die andere. Die alte Dame geriet außer sich und wurde bald blaß, bald rot vor Zorn; schließlich konnte Katja sich nicht mehr halten, schlug ein Gelächter auf und lief aus dem Zimmer der Großtante hinaus. Die alte Prinzessin schickte sofort zur Fürstin und ließ diese zu sich bitten. Es kam zu einer großen Szene, und die Fürstin mußte zwei Stunden lang mit Tränen in den Augen ihre Verwandte anflehen, sie möchte doch Katja ihre Unart verzeihen und von dem Verlangen einer Bestrafung mit Rücksicht auf ihre noch nicht behobene Krankheit Abstand nehmen. Die alte Prinzessin wollte zuerst von nichts hören; sie erklärte, gleich am nächsten Tage das Haus verlassen zu wollen, und ließ sich erst dann besänftigen, als die Fürstin ihr das Wort darauf gab, die Bestrafung solle nur bis zur Genesung der Tochter aufgeschoben sein; dann werde dem gerechten Unwillen der alten Prinzessin volle Genugtuung zuteil werden. Indessen erhielt Katja schon jetzt einen strengen Verweis. Sie wurde zur Fürstin nach unten geführt.
Aber nach Tische machte sich der Unart davon. Als ich nach unten gehen wollte, traf ich sie bereits auf der Treppe. Sie öffnete die Tür und rief Falstaff. Ich erriet sofort, daß sie eine furchtbare Rache plante. Die Sache war folgende:
Die alte Prinzessin hatte keinen unversöhnlicheren Feind als Falstaff. Er benahm sich gegen niemand freundlich und liebte niemanden, war aber hochmütig und stolz und besaß ein maßloses Ehrgefühl. Er liebte niemanden, beanspruchte aber offenbar von allen die schuldige Achtung. Diese hegten auch alle gegen ihn, wobei sie der Achtung ein tüchtiges Quantum Furcht beimischten. So war das lange Zeit gewesen; aber mit der Ankunft der alten Prinzessin hatte sich auf einmal alles geändert: Falstaff wurde schnöde gekränkt, nämlich: es wurde ihm formell verboten, nach oben zu gehen.
Anfangs war Falstaff außer sich vor Empörung und kratzte eine ganze Woche lang mit den Pfoten an der Tür, welche die Treppe abschloß, die von oben zu den unteren Zimmern führte; aber bald erriet er die Ursache seiner Aussperrung, und gleich am ersten Sonntage, als die alte Prinzessin das Haus verlassen wollte, um sich zur Kirche zu begeben, stürzte sich Falstaff heulend und bellend auf die Ärmste. Nur mit Mühe rettete man sie vor der grimmigen Rache des beleidigten Hundes; denn allerdings war sie es gewesen, auf deren Befehl er von oben verbannt war, weil sie erklärt hatte, sie könne das Tier nicht sehen. Seitdem war es dem Hunde aufs strengste verboten worden, nach oben zu gehen, und wenn die alte Prinzessin nach unten kam, so wurde er in das entlegenste Zimmer gejagt. Für die Ausführung dieser Anordnungen wurde die Dienerschaft aufs strengste verantwortlich gemacht. Aber das rachsüchtigte Tier hatte doch etwa dreimal die Möglichkeit gefunden, nach oben zu gelangen. Kaum war er die Treppe hinaufgestürmt, so lief er auch augenblicklich durch die ganze Zimmerflucht bis zu dem Schlafzimmer der alten Dame. Nichts konnte ihn zurückhalten. Zum Glück war die Tür zu der alten Dame stets verschlossen, und Falstaff mußte sich damit begnügen, vor ihr so lange schrecklich zu heulen, bis Leute herbeiliefen und ihn wieder nach unten jagten. Die alte Prinzessin aber schrie während des ganzen Besuches der grimmigen Bulldogge so, als ob sie schon gefressen würde, und wurde jedesmal vor Angst ernstlich krank. Ein paarmal hatte sie der Fürstin schon ein Ultimatum gestellt und war sogar einmal in der Erregung so weit gegangen, zu sagen, entweder müsse Falstaff das Haus verlassen, oder sie werde es tun; aber die Fürstin hatte sich nicht dazu verstehen können, sich von Falstaff zu trennen.
Die Fürstin liebte nur wenige Menschen; aber nach ihren Kindern liebte sie Falstaff am meisten von der Welt, und zwar aus folgendem Grunde: Der Fürst hatte einmal vor sechs Jahren, als er von einem Spaziergange zurückkam, einen schmutzigen, kranken, höchst jämmerlich aussehenden
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