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Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
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Hund mitgebracht, der aber eine Bulldogge vom reinsten Blute war. Der Fürst hatte ihn irgendwie vom Tode gerettet. Aber da der neue Hausgenosse sich äußerst unmanierlich und unhöflich benahm, wurde er auf Geheiß der Fürstin auf den hinteren Hof verwiesen und dort an die Kette gelegt. Der Fürst erhob keinen Einspruch dagegen. Zwei Jahre darauf, als die ganze Familie sich in der Sommerfrische befand, fiel der kleine Alexander, Katjas jüngerer Bruder, in die Newa. Die Fürstin schrie auf, und ihre erste Bewegung war, sich ins Wasser zu werfen, um ihren Sohn zu retten. Mit Gewalt hielt man sie vom sicheren Tode zurück. Unterdessen wurde das Kind von der Strömung schnell fortgetragen, und nur seine Kleidung schwamm noch auf der Oberfläche. So schnell wie möglich wurde ein Kahn losgebunden; aber die Rettung des Kindes wäre doch nur durch ein Wunder möglich gewesen. Plötzlich warf sich die riesenhafte Bulldogge ins Wasser, schnitt dem ertrinkenden Knaben den Weg ab, ergriff ihn mit den Zähnen und schwamm triumphierend mit ihm ans Ufer. Die Fürstin stürzte auf den schmutzigen, nassen Hund zu, um ihn zu küssen. Aber Falstaff, der damals noch den prosaischen und höchst plebejischen Namen Frixa trug, mochte sich von niemand Liebkosungen gefallen lassen und erwiderte die Umarmungen und Küsse der Fürstin damit, daß er sie in die Schulter biß, soviel er davon mit den Zähnen fassen konnte. Die Fürstin litt an dieser Wunde ihr ganzes Leben lang; aber dennoch war ihre Dankbarkeit grenzenlos. Falstaff wurde in die inneren Räume hereingenommen, gesäubert und gewaschen und erhielt ein silbernes, schön gearbeitetes Halsband. Er bekam seinen Platz im Wohnzimmer der Fürstin auf einem prächtigen Bärenfell, und bald brachte die Fürstin es dahin, daß sie ihn streicheln durfte, ohne eine sofortige Bestrafung befürchten zu müssen. Als sie erfuhr, daß ihr Liebling Frixa hieß, geriet sie in Entsetzen, und man suchte sofort einen neuen Namen, möglichst einen antiken. Aber die Namen Hektor, Zerberus usw. waren schon zu abgenutzt; es sollte ein Name sein, wie er dem Günstlinge des Hauses anständigerweise zukam. Endlich schlug der Fürst im Hinblick auf Frixas phänomenale Gefräßigkeit vor, die Bulldogge Falstaff zu nennen. Dieser bezeichnende Name wurde mit Begeisterung aufgenommen und verblieb dem Tiere für immer. Falstaff betrug sich gut; als echter Engländer war er schweigsam und mürrisch; er stürtzte sich nie als erster auf jemand, forderte aber, daß man um seinen Platz auf dem Bärenfell respektvoll herumging und ihm überhaupt die gebührende Achtung erwies. Manchmal aber wandelte ihn eine Art von krampfhaftem Verlangen an, es überkam ihn eine Art von Spleen, und in solchen Augenblicken erinnerte sich Falstaff voll Kummer daran, daß sein Feind, sein unversöhnlicher Feind, der in seine Rechte eingegriffen hatte, noch nicht bestraft sei. Dann schlich er leise zu der Treppe, die nach oben führte, und wenn er, wie das gewöhnlich der Fall war, die Tür geschlossen fand, so legte er sich irgendwo in der Nähe hin, versteckte sich in einem Winkel und wartete listig, ob jemand so nachlässig sein werde, die Tür nach oben offen zu lassen. Manchmal wartete das rachsüchtige Tier so drei Tage lang. Aber es waren strenge Weisungen ergangen, auf die Tür gut aufzupassen, und so war Falstaff schon seit zwei Monaten nicht oben erschienen.
    „Falstaff, Falstaff!“ rief Katja; sie hatte die Tür geöffnet und lockte nun Falstaff freundlich zu uns die Treppe hinauf.
    In diesem Augenblick hatte Falstaff bereits gewittert, daß die Tür offen stand, und sich schon angeschickt, seinen Rubikon zu überspringen. Aber die Aufforderung seitens der Prinzessin erschien ihm so unmöglich, daß er eine Zeitlang seinen Ohren nicht trauen mochte. Er war schlau wie eine Katze, und um sich den Anschein zu geben, als habe er die Nachlässigkeit mit der geöffneten Tür gar nicht bemerkt, ging er an ein Fenster, legte seine mächtigen Pfoten auf das Fensterbrett und begann, das gegenüberliegende Gebäude zu betrachten; kurz, er benahm sich, als gehe ihn die Sache gar nichts an, als sei er ein Spaziergänger, der einen Augenblick stehen bleibe, um die schöne Architektur des Nachbargebäudes zu betrachten. Unterdessen pochte ihm aber das Herz nur so in froher Erwartung. Wie groß war nun sein Erstaunen, seine Freude, sein Entzücken, als die Tür vor ihm sperrangelweit geöffnet wurde, ja, man ihn sogar rief, einlud, bat,

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