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Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
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gewesen.
    „Sagen Sie nichts von dem Briefe!“ flüsterte ich ihm schnell zu. „Sie würden sie damit auf der Stelle töten. Ein Vorwurf für mich würde gleichzeitig ein Vorwurf für sie sein. Sie kann nicht Richterin über mich sein, weil ich alles weiß ... Verstehen Sie wohl: Ich weiß alles!“
    Er blickte mich mit scheuer Neugier starr an und wurde verlegen; das Blut stieg ihm ins Gesicht.
    „Ich weiß alles, alles!“ wiederholte ich.
    Er schwankte noch. Eine Frage schwebte ihm auf den Lippen. Ich kam ihm zuvor:
    „Was sich begeben hat, ist dies“, sagte ich laut und eilig, indem ich mich an Alexandra Michailowna wandte, die uns mit schüchterner, gramvoller Verwunderung betrachtete. „Ich bin an allem schuld. Schon seit vier Jahren habe ich Sie hintergangen. Ich habe mir den Schlüssel zur Bibliothek angeeignet und lese schon seit vier Jahren heimlich Bücher aus ihr. Pjotr Alexandrowitsch hat mich mit einem solchen Buche ertappt, das ... das nicht hätte in meinen Händen sein sollen. Im Schreck über meine Handlungsweise und aus Besorgnis für mich hat er Ihnen gegenüber die Gefahr übertrieben! ... Aber ich will mich nicht zu rechtfertigen suchen“, fügte ich schnell hinzu, da ich ein spöttisches Lächeln auf seinen Lippen bemerkte; „ich bin in jeder Hinsicht schuldig. Die Verlockung war stärker als ich, und nachdem ich mich einmal vergangen hatte, schämte ich mich, meine Verfehlung einzugestehen ... Das ist alles, fast alles, was zwischen uns vorgefallen ist.“
    „Oh,oh, wie geschickt!“ flüsterte Pjotr Alexandrowitsch neben mir.
    Alexandra Michailowna hatte mir mit größter Aufmerksamkeit zugehört; aber auf ihrem Gesichte malte sich deutlich ihr Unglaube. Sie blickte abwechselnd mich und ihren Mann an. Es trat ein Stillschweigen ein. Ich konnte kaum atmen. Sie ließ den Kopf auf die Brust heruntersinken und bedeckte die Augen mit der Hand; offenbar überlegte sie etwas und erwog jedes Wort, das ich gesagt hatte.
    Endlich hob sie den Kopf in die Höhe und blickte mich prüfend an.
    „Netotschka, mein Kind, ich weiß, du verstehst nicht zu lügen“, sagte sie. „Ist das alles, was vorgefallen ist, wirklich alles?“
    „Ja, alles“, antwortete ich.
    „Ist es alles?“ fragte sie, sich zu ihrem Manne wendend.
    „Ja, alles“, antwortete er mit Anstrengung. „Alles!“
    Ich atmete auf.
    „Gibst du mir dein Wort darauf, Netotschka?“
    „Ja“, antwortete ich, ohne zu zaudern.
    Aber ich konnte mich nicht bezwingen und blickte nach Pjotr Alexandrowitsch hin. Er lachte, als er hörte, wie ich mein Wort gab. Ich wurde dunkelrot, und meine Verwirrung entging der armen Alexandra Michailowna nicht. Ein niederdrückender, qualvoller Kummer malte sich auf ihrem Gesichte.
    „Genug davon!“ sagte sie traurig. „Ich glaube euch. Ich kann nicht anders als euch glauben.“
    „Ich meine, dieses Bekenntnis genügt“, sagte Pjotr Alexandrowitsch. „Sie haben es ja nun gehört. Wie sollen wir nun darüber urteilen?“
    Alexandra Michailowna antwortete nicht. Die Szene wurde immer peinlicher.
    „Ich will gleich morgen alle Bücher revidieren“, fuhr Pjotr Alexandrowitsch fort. „Ich weiß nicht, was sie da sonst noch getrieben hat; aber...“
    „Was war es denn für ein Buch, das sie las?“ fragte Alexandra Michailowna.
    „Was es für ein Buch war? Antworten Sie!“ sagte er, zu mir gewendet. „Sie verstehen es besser als ich, die Sache klarzulegen“, fügte er mit verhülltem Spott hinzu.
    Ich wurde verlegen und konnte kein Wort herausbringen. Alexandra Michailowna errötete und schlug die Augen nieder. Es trat ein langes Stillschweigen ein. Pjotr Alexandrowitsch ging ärgerlich im Zimmer auf und ab.
    „Ich weiß nicht, was zwischen euch vorgegangen ist“, begann Alexandra Michailowna endlich schüchtern und stockend; „aber wenn es nur das gewesen ist“, fuhr sie fort (sie bemühte sich, in ihre Worte einen besonderen Sinn zu legen, geriet aber unter dem starr auf sie gerichteten Blicke ihres Mannes bereits in Verwirrung, obgleich sie es zu vermeiden suchte, ihn anzusehen), „wenn es nur das gewesen ist, so weiß ich nicht, warum wir alle uns so darüber grämen und aufregen. Die Hauptschuld trage ich, ich allein, und das ist mir ein großer Schmerz. Ich habe ihre Erziehung vernachlässigt und trage für alle Folgen die Verantwortung. Das muß sie mir verzeihen, und ich kann und darf nicht den Stab über sie brechen. Aber noch einmal: Warum regen wir uns denn so auf? Die

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