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Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
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erlauben Sie mir zuerst zu reden!“ sagte Pjotr Alexandrowitsch, indem er zu uns trat, mich an der Hand ergriff und mich von Alexandra Michailowna wegzog. „Stellen Sie sich dahin!“ fuhr er, zu mir gewendet, fort, indem er auf die Mitte des Zimmers wies. „Ich werde über Sie Gericht halten in Gegenwart derjenigen, die an Ihnen Mutterstelle vertreten hat. Sie aber bitte ich sich zu beruhigen und sich hinzusetzen“, fügte er hinzu, indem er Alexandra Michailowna veranlaßte, auf einem Lehnstuhl Platz zu nehmen. „Es tut mir leid, daß ich Ihnen diese unangenehme Enthüllung nicht ersparen kann; aber sie ist unumgänglich notwendig.“
    „Mein Gott! Was wird das nur sein?“ rief Alexandra Michajlowna und ließ in peinlicher Aufregung ihren Blick zwischen mir und ihrem Manne hin und her wandern. Ich rang die Hände, da ich fühlte, daß der verhängnisvolle Augenblick heranrückte. Von Pjotr Alexandrowitsch erwartete ich keine Schonung mehr.
    „Kurz gesagt“, fuhr Pjotr Alexandrowitsch fort, „ich wollte, daß Sie mit mir zusammen zu Gericht säßen. Sie haben immer (ich begreife nicht, warum; es ist das eben eine Ihrer Phantasien), Sie haben immer ... zum Beispiel noch gestern, gemeint und gesagt ... aber ich weiß nicht, wie ich mich ausdrücken soll; ich erröte bei dem Gedanken an Ihre Vermutungen ... Kurz gesagt, Sie haben sie in Schutz genommen, Sie haben mich angegriffen, mich einer unangebrachten Strenge beschuldigt; Sie haben noch auf ein anderes Gefühl angespielt, das mich zu dieser unangebrachten Strenge veranlasse; Sie ... aber ich sehe nicht ein: warum soll ich nicht meine Verlegenheit und mein Erröten über Ihre Vermutungen unterdrücken und laut und offen in Gegenwart dieses Mädchens von ihnen reden? ... Kurz gesagt, Sie...“
    „Oh, tun Sie das nicht! Nein, sagen Sie das nicht!“ rief Alexandra Michailowna in höchster Aufregung und vor Scham glühend. „Nein, schonen Sie sie! Das waren alles nur Einbildungen von mir! Ich hege jetzt keinerlei Verdacht. Verzeihen Sie mir meine Vermutungen, verzeihen Sie sie mir! Ich bin krank; man muß Nachsicht mit mir haben; aber sagen Sie nur nichts zu ihr, nein ... Anneta“, sagte sie, zu mir herantretend, „Anneta, geh weg von hier, schnell, schnell! Er hat nur gescherzt; ich bin an allem schuld; es war ein unangebrachter Scherz...“
    „Kurz gesagt, Sie waren eifersüchtig auf sie“, sagte Pjotr Alexandrowitsch; das war die Antwort, die er der ängstlich Wartenden ins Gesicht schleuderte.
    Sie schrie auf, wurde blaß und mußte sich auf den Lehnstuhl stützen, da die Beine sie kaum trugen.
    „Gott möge es Ihnen vergeben!“ sagte sie endlich mit schwacher Stimme. „Verzeihe du auch mir, Netotschka, was er da gesagt hat; ich bin an allem schuld. Ich war krank, ich...“
    „Aber das ist Tyrannei, das ist eine Schamlosigkeit, eine Gemeinheit!“ rief ich ganz außer mir, da ich endlich alles begriff und durchschaute, warum er in Gegenwart seiner Frau über mich Gericht halten wollte. „Das ist ein verächtliches Benehmen; Sie...“
    „Anneta!“ schrie Alexandra Michailowna und ergriff mich erschrocken beim Arme.
    „Komödie, Komödie, nichts weiter!“ sagte Pjotr Alexandrowitsch und trat in unbeschreiblicher Aufregung auf uns zu. „Komödie, sage ich Ihnen“, fuhr er fort, indem er seine Frau unverwandt mit einem boshaften Lächeln anblickte, „und die Betrogene in dieser ganzen Komödie sind nur Sie. Aber Sie können überzeugt sein, daß die hier“, sagte er fast erstickend und wies dabei auf mich, „solche Erörterungen nicht scheut; Sie können überzeugt sein, daß die hier nicht mehr so keusch ist, um sich beleidigt zu fühlen, zu erröten und sich die Ohren zuzustopfen, wenn man zu ihr von solchen Dingen redet. Entschuldigen Sie, ich drücke mich einfach, geradezu und vielleicht derb aus; aber das ist unumgänglich notwendig. Glauben Sie an die ordentliche Aufführung dieser ... Person?“
    „O Gott! Was reden Sie? Sie vergessen sich!“ rief Alexandra Michailowna, vor Schreck starr und halbtot.
    „Bitte, ohne hochtönende Worte!“ unterbrach Pjotr Alexandrowitsch sie geringschätzig. „Ich liebe das nicht. Was hier vorliegt, ist eine einfache, klare Gemeinheit, eine Gemeinheit schlimmster Art. Ich frage Sie nach der Aufführung dieses Mädchens: Wissen Sie...“
    Aber ich ließ ihn nicht zu Ende sprechen, sondern faßte ihn am Arm und zog ihn gewaltsam beiseite. Noch ein Augenblick, und alles wäre verloren

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