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Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
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lasterhafte Gefühl auch auf ein noch so hohes Piedestal stellen! Aber genug, genug! Ich will von diesen abscheulichen Dingen nie mehr etwas hören!“
    Alexandra Michailowna weinte.
    „Sei es; soweit es mich betrifft, will ich es ertragen!“ sagte sie endlich, indem sie mich schluchzend umarmte. „Mag mein Verdacht schändlich gewesen sein; mögen Sie über ihn mit bitteren Worten spotten! Aber du, mein armes Kind, warum bist du dazu verurteilt, solche Kränkungen anzuhören? Und ich kann dich nicht beschützen! Ich muß stumm sein! O Gott! Aber ich kann nicht schweigen, Pjotr Alexandrowitsch! Ich kann das nicht ertragen ... Ihr Benehmen gegen sie ist sinnlos!...“
    „Hören Sie auf, hören Sie auf!“ flüsterte ich und gab mir Mühe, ihre Aufregung zu beschwichtigen, in der Befürchtung, er könnte bei ihren heftigen Vorwürfen die Geduld verlieren. Ich zitterte immer noch aus Furcht um sie.
    „Aber Sie blindes Weib!“ rief er. „Sie wissen nicht, Sie sehen nicht...“
    Er hielt einen Augenblick inne.
    „Fort von ihr!“ sagte er, zu mir gewendet, und riß meine Hand aus Alexandra Michailownas Händen. „Ich gestatte Ihnen nicht, meine Frau zu berühren; Sie beflecken sie; Sie beleidigen sie durch Ihre Gegenwart! Aber ... aber was zwingt mich denn zu schweigen, wenn es nötig, unumgänglich nötig ist, daß ich rede?“ rief er, mit dem Fuße stampfend. „Und ich will reden, will alles sagen. Ich weiß nicht, was Sie da ,wissen’, mein Fräulein, und womit Sie mir drohen wollten, und ich will es auch gar nicht wissen. So hören Sie denn“, fuhr er zu Alexandra Michailowna gewendet, fort, „so hören Sie denn...“
    „Schweigen Sie!“ rief ich, auf ihn zustürzend. „Schweigen Sie! Kein Wort weiter!“
    „So hören Sie denn...“
    „Schweigen Sie im Namen...“
    „In wessen Namen, mein Fräulein?“ unterbrach er mich, indem er mir mit einem schnellen, durchdringenden Blicke in die Augen sah. „In wessen Namen? So wissen Sie denn: Ich habe ihr einen Brief von einem Liebhaber aus der Hand gerissen! So etwas begibt sich in unserm Hause! So etwas begibt sich in Ihrer nächsten Nähe! Und davon haben Sie nichts gesehen und nichts bemerkt!“
    Ich wäre beinahe umgesunken. Alexandra Michailowna wurde blaß wie der Tod.
    „Das ist nicht möglich!“ flüsterte sie mit kaum vernehmbarer Stimme.
    „Ich habe diesen Brief gesehen; ich habe ihn in der Hand gehalten und die ersten Zeilen gelesen; ich habe mich nicht geirrt: Der Brief war von einem Liebhaber. Sie riß ihn mir aus der Hand. Sie hat ihn jetzt bei sich; es ist alles klar; es verhält sich so; es kann daran kein Zweifel sein; und wenn Sie wirklich noch zweifeln, so sehen Sie sie an; dann werden Sie von allen Zweifeln kuriert sein!“
    „Netotschka!“ rief Alexandra Michailowna, indem sie auf mich zustürzte. „Aber nein, rede nicht, rede nicht! Ich weiß ja nicht, was es gewesen ist, wie es zusammenhängt ... O mein Gott, o mein Gott!“
    Sie schluchzte auf und verbarg das Gesicht in den Händen.
    „Aber nein, es ist nicht möglich!“ rief sie wieder. „Sie haben sich geirrt. Ich ... ich weiß, was das bedeutet!“ sagte sie, ihren Mann unverwandt anblickend. „Ich kann es nicht glauben; du betrügst mich nicht; du kannst mich nicht betrügen! Erzähle mir alles, alles ohne Umschweife; er hat sich geirrt; nicht wahr, er hat sich geirrt? Er hat einen andern Brief gesehen, er ist verblendet gewesen? Nicht wahr? Nicht wahr? Höre doch: Warum willst du mir denn nicht alles sagen, Anneta, mein Kind, mein liebes Kind?“
    „Antworten Sie, antworten Sie schnell!“ hörte ich Pjotr Alexandrowitsch neben mir sagen. „Antworten Sie: Habe ich einen Brief in Ihren Händen gesehen, ja oder nein?“
    „Ja“, antwortete ich atemlos vor Erregung.
    „War das ein Brief von Ihrem Liebhaber?“
    „Ja“, antwortete ich.
    „Stehen Sie mit ihm auch jetzt noch in Beziehung?“
    „Ja, ja, ja!“ sagte ich; ich wußte von mir selbst nicht und antwortete auf alle Fragen bejahend, nur um unserer Qual ein Ende zu machen.
    „Nun haben Sie es von ihr selbst gehört. Was sagen Sie jetzt? Glauben Sie mir, Sie gutes, allzu vertrauensseliges Herz“, fügte er hinzu, indem er die Hand seiner Frau ergriff, „glauben Sie mir, und geben Sie allen Ausgeburten Ihrer kranken Phantasie den Laufpaß! Sie sehen jetzt, von welchem Schlage dieses Mädchen ist. Ich wollte Ihnen nur Ihren Verdacht als unmöglich erweisen. Ich habe das alles schon längst bemerkt und

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