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Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
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Gefahr ist ja doch vorübergegangen. Sehen Sie sie an“, sagte sie, immer lebhafter werdend und einen forschenden Blick auf ihren Mann richtend, „sehen Sie sie an: Hat etwa ihr unbesonnener Schritt irgendwelche üblen Folgen hinterlassen? Ich kenne sie ja doch, mein Kind, meine liebe Tochter; ich kenne sie ja doch und weiß, daß ihr Herz rein und edel ist, und daß in diesem hübschen Köpfchen“, fuhr sie fort, indem sie mich liebkosend an sich zog, „ein heller, klarer Verstand wohnt, und daß ihr Gewissen den Betrug scheut ... Hören wir auf damit, meine Lieben! Lassen wir es gut sein! Gewiß hat unser Kummer einen andern verborgenen Grund gehabt; vielleicht hat sich nur ein vorüberfliegender häßlicher Schatten über uns gebreitet. Aber wir wollen ihn verscheuchen durch unsere Liebe und durch unsere Eintracht und wollen das entstandene Mißverständnis zerstreuen. Vielleicht ist manches zwischen uns unausgesprochen geblieben, und ich klage in erster Linie mich selbst an. Ich bin als die erste gegen euch nicht offen gewesen und habe bei mir Gott weiß was für einen Verdacht aufkommen lassen; daran ist mein kranker Kopf schuld ... Aber ... aber, wenn wir uns nun wenigstens zum Teil ausgesprochen haben, so müßt ihr mir beide verzeihen, weil ... weil schließlich das, was ich vermutete, keine so große Sünde ist...“
    Nach diesen Worten blickte sie schüchtern und errötend ihren Mann an und wartete bekümmert auf eine Antwort von seiner Seite. Je länger er ihr zuhörte, um so spöttischer wurde das Lächeln auf seinen Lippen. Er hörte auf, hin und her zu gehen und blieb, mit den Händen auf dem Rücken, gerade vor ihr stehen. Er schien ihre Verwirrung zu beobachten und sich daran zu weiden; denn da sie seinen starren Blick auf sich gerichtet fühlte, wurde sie verlegen. Er schwieg noch einen Augenblick, als ob er abwarten wollte, was etwa noch weiter käme. Ihre Verwirrung stieg. Endlich machte er dieser peinlichen Szene durch ein leises, langes, boshaftes Lachen ein Ende:
    „Sie tun mir leid, Sie Arme“, sagte er endlich, nachdem er aufgehört hatte zu lachen, in bitterem, ernstem Tone. „Sie haben da eine Rolle übernommen, die Ihre Kräfte übersteigt. Was beabsichtigten Sie? Beabsichtigten Sie, mich zu einer Antwort zu veranlassen, mich durch neue Verdächtigungen oder, richtiger gesagt, durch die alte Verdächtigung, die Sie nur mangelhaft in Ihren Worten verbargen, aufzustacheln? Der Sinn Ihrer Worte war, man brauche diesem Mädchen nicht böse zu sein; sie sei brav und gut auch nach der Lektüre unsittlicher Bücher, deren Moral übrigens (das spreche ich als meine Ansicht aus) schon eine gewisse Wirkung auf sie ausgeübt hat; Sie selbst seien schließlich für sie verantwortlich, nicht wahr? Nun, und nachdem Sie dies erklärt hatten, deuteten Sie noch auf etwas anderes hin; Sie sind der Meinung, mein argwöhnisches, feindseliges Benehmen gegen dieses Mädchen entspringe aus einem anderen Gefühle. Sie haben mir sogar gestern angedeutet (bitte, unterbrechen Sie mich nicht; ich rede gern frei und offen), Sie haben mir sogar gestern angedeutet, daß bei manchen Leuten (ich erinnere mich, daß nach Ihrer Bemerkung dies am häufigsten bei gesetzten, düsteren, offenherzigen, verständigen, energischen Leuten der Fall ist, und Gott weiß, was Sie ihnen in einer Anwandlung von Großmut noch alles für schöne Attribute gaben!), ich wiederhole, daß bei manchen Leuten die Liebe (Gott weiß, wie Sie auf diese Idee gekommen sind!) sich nicht anders als düster, heftig, schroff und oft mit Argwohn und Feindseligkeit verbunden dokumentieren könne. Ich erinnere mich nicht mehr recht, ob Sie sich gestern genau so ausgedrückt haben ... Bitte, unterbrechen Sie mich nicht; ich kenne Ihre Pflegetochter recht gut; sie kann alles anhören, alles, wiederhole ich Ihnen zum hundertsten Male, alles. Sie haben sich hinters Licht führen lassen. Aber ich weiß nicht, warum es Ihnen beliebt, mit solcher Hartnäckigkeit zu behaupten, daß gerade ich ein solcher Mensch sei! Gott weiß, warum es Ihnen Vergnügen macht, mich mit dieser Narrenjacke zu kostümieren! Liebe zu diesem Mädchen würde nicht zu meinen Jahren stimmen; und dann, bitte, glauben Sie mir: Ich kenne meine Pflichten, und wie großmütig Sie mich auch entschuldigen mögen, so verbleibe ich doch bei meiner früheren Anschauung, daß ein Verbrechen immer ein Verbrechen bleibt und die Sünde immer schändliche, garstige, gemeine Sünde, mögen Sie das

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