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Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
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beifälliges Gelächter beim Publikum hervor, denn Ippolit Kirillowitsch hatte mit Jupiter nun gar keine Ähnlichkeit. Auf die Beschuldigung schließlich, er erlaube der jungen Generation, ihre Väter totzuschlagen, bemerkte Fetjukowitsch mit zutiefst verletzter Würde, darauf wolle er nichts erwidern. Zu dem »Trugbild Christi« und der Behauptung, er würdige Christus nicht der Bezeichnung »Gott«, sondern nur »gekreuzigter Menschenfreund«, was »im Widerspruch zur Rechtgläubigkeit« stehe und von der »Tribüne der Wahrheit und der gesunden Vernunft nicht proklamiert« werden dürfe, beschränkte sich Fetjukowitsch auf die kurze Bemerkung, das sei eine »Insinuation«; als er hierhergereist sei, habe er wenigstens damit gerechnet, daß die hiesige Tribüne gegen Anschuldigungen geschützt wäre, »die meiner Persönlichkeit als Bürger und loyalem Untertan gefährlich werden könnten ...« Doch bei diesen Worten unterbrach der Präsident auch ihn, und Fetjukowitsch schloß seine Antwort mit einer Verbeugung, worauf ein allgemeines Gemurmel des Beifalls im Saal eintrat. Ippolit Kirillowitsch aber war nach der Meinung unserer Damen »für alle Zeit erledigt«.
    Danach wurde das Wort dem Angeklagten selbst erteilt. Mitja erhob sich, sagte aber nur wenig. Er war furchtbar ermüdet, körperlich wie geistig. Das selbstbewußte, kraftvolle Aussehen vom Morgen hatte ihn fast ganz verlassen. Es war, als habe er an diesem Tag etwas erlebt, wodurch ihm sehr wichtige und bislang nicht begriffene Dinge für sein ganzes Leben klar und begreiflich geworden waren. Seine Stimme wirkte schwächer; er schrie nicht mehr wie vorher. Seine Worte hatten einen neuartigen Klang, so als ob er sich unterworfen habe, sich für besiegt erkläre und sich beuge.
    »Was soll ich sagen, meine Herren Geschworenen? Mein Gericht ist gekommen, ich fühle die Hand Gottes über mir. Für mich wüsten Menschen ist das Ende da! Aber als ob ich vor Gott beichtete, sage ich Ihnen: Am Blut meines Vaters – nein, daran bin ich unschuldig! Zum letztenmal wiederhole ich, es: Nicht ich habe den Mord begangen! Ich habe ein wüstes Leben geführt, aber ich habe das Gute geliebt. Jeden Augenblick bin ich bemüht gewesen, mich zu bessern, aber ich habe gelebt wie ein wildes Tier. Ich danke dem Staatsanwalt: Er hat vieles über mich gesagt, was ich nicht wußte. Aber es ist nicht wahr, daß ich meinen Vater getötet habe – darin hat sich der Staatsanwalt geirrt! Ich danke auch dem Verteidiger. Ich habe geweint, während ich ihm zuhörte. Aber es ist nicht wahr, daß ich meinen Vater getötet habe – diese Annahme war völlig überflüssig! Den Ärzten glauben Sie bitte nicht: Ich bin bei vollem Verstand, mir ist nur schwer ums Herz. Wenn Sie mit mir Mitleid haben, wenn Sie mich freisprechen, werde ich für Sie beten. Ich werde mich bessern, darauf gebe ich Ihnen mein Wort, vor Gott gebe ich Ihnen darauf mein Wort. Wenn Sie mich jedoch verurteilen, werde ich meinen Degen mit eigener Hand über meinem Kopf zerbrechen und die zerbrochenen Stücke küssen! Aber haben Sie Mitleid mit mir, nehmen Sie mir nicht meinen Gott! Ich kenne mich: Ich werde gegen ihn murren! Mir ist so schwer ums Herz, meine Herren ... Haben Sie Mitleid!«
    Er fiel fast auf seinen Platz zurück, die Stimme versagte ihm, den letzten Satz hatte er kaum noch herausbringen können. Anschließend schritt das Gericht zur Formulierung der Fragen und befragte die beiden Parteien nach ihren Schlußmeinungen; aber ich will hier nicht alle Einzelheiten wiedergeben. Endlich standen die Geschworenen auf, um sich zur Beratung zurückzuziehen. Der Präsident war sehr erschöpft und gab ihnen daher nur ein sehr schwaches Geleitwort mit: »Seien Sie unparteiisch, lassen Sie sich nicht durch die beredten Worte der Verteidigung beeinflussen, sondern wägen Sie selbst alles ab! Und vergessen Sie nicht, daß eine große Verantwortung auf Ihnen ruht«, und so weiter und so fort. Die Geschworenen entfernten sich, und es trat eine Unterbrechung der Sitzung ein. Man konnte aufstehen, umhergehen, die Eindrücke, die sich angesammelt hatten, miteinander austauschen und am Büfett etwas essen. Es war sehr spät, schon gegen ein Uhr nachts, doch niemand ging weg. Alle waren so erregt und gespannt, daß sie an Ruhe gar nicht dachten; alle warteten mit Herzklopfen auf den Ausgang der Sache, obwohl übrigens nicht alle Herzklopfen hatten. Die Damen waren nur krankhaft ungeduldig, fühlten sich aber im Innersten beruhigt:

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