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Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
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»Der Freispruch ist sicher!« Sie bereiteten sich alle auf den effektvollen Augenblick des allgemeinen Enthusiasmus vor. Ich muß gestehen, daß auch vom männlichen Teil des Publikums viele von dem sicheren Freispruch überzeugt waren. Manche freuten sich, andere sahen verdrießlich aus, wieder andere ließen geradezu die Köpfe hängen: Sie wünschten keinen Freispruch! Fetjukowitsch selbst war von seinem Erfolg fest überzeugt. Er wurde umringt, nahm Glückwünsche und Komplimente entgegen.
    »Es gibt«, sagte er in einer Gruppe, wie später wiedererzählt wurde, »unsichtbare Fäden, die den Verteidiger mit den Geschworenen verbinden. Schon während des Plädoyers knüpfen sie sich und werden spürbar. Ich habe sie gefühlt, sie sind vorhanden. Der Sieg ist unser, seien Sie ganz beruhigt!«
    »Was werden bloß unsere Bauern jetzt sagen?« bemerkte ein düster blickender, dicker, pockennarbiger Herr, ein Gutsbesitzer aus der Umgegend, während er sich einer Gruppe von Herren anschloß, die sich über den Fall unterhielten.
    »Aber es sind ja nicht nur Bauern. Vier Beamte gehören auch dazu.«
    »Ja gewiß, auch Beamte«, sagte ein Mitglied der Kreisverwaltung und trat näher.
    »Kennen Sie Prochor Iwanowitsch Nasarjew, diesen Kaufmann mit der Medaille? Er ist einer von den Geschworenen.«
    »Was ist mit dem?«
    »Ein kluges Haus.«
    »Der schweigt doch immer.«
    »Schweigen tut er freilich, aber das ist ja um so besser. Der wird sich von dem Petersburger nicht belehren lassen, der könnte selbst ganz Petersburg belehren. Kinder hat er zwölf Stück, denken Sie mal an!«
    »Aber ich bitte Sie, sie werden ihn doch nicht verurteilen?« rief in einer anderen Gruppe einer unserer jungen Beamten.
    »Sie werden ihn sicherlich freisprechen«, erwiderte eine entschiedene Stimme.
    »Es wäre eine Schmach und Schande, wenn sie ihn nicht frei sprechen würden!« rief der Beamte. »Meinetwegen mag er ihn totgeschlagen haben – aber Vater und Vater, das ist doch ein großer Unterschied. Und dann, er war ja doch ganz außer sich ... Vielleicht hat er wirklich nur so eine Bewegung mit dem Stößel gemacht, und da ist der andere umgefallen. Schlecht war von dem Verteidiger nur, daß er den Diener mit hineingezogen hat. Das war einfach eine lächerliche Episode. Ich an seiner Stelle hätte geradeheraus gesagt: Er hat ihn totgeschlagen, aber er ist nicht schuldig, hol' euch der Teufel!«
    »So hat er es ja auch gemacht, nur daß er nicht gesagt hat: Hol' euch der Teufel!«
    »Nein, Michail Semjonowitsch, ein bißchen hat er es doch gesagt«, fiel ein dritter ein.
    »Ich bitte Sie, meine Herren, in den Großen Fasten wurde doch bei uns eine Schauspielerin freigesprochen, die der Ehefrau ihres Liebhabers den Hals durchgeschnitten hatte.«
    »Aber sie hatte ihn ihr nicht ganz durchgeschnitten.«
    »Einerlei, sie hatte angefangen.«
    »Aber wie er von den Kindern sprach! Großartig!«
    »Jawohl, großartig!«
    »Na, und dann von der Mystik, von der Mystik, he?«
    »Ach, hören Sie doch mit der Mystik auf!« rief noch jemand. »Versetzen Sie sich mal in die Lage des guten Ippolit, wie es dem von nun an ergehen wird. Morgen wird ihm die Frau Staatsanwalt wegen seiner Angriffe auf Mitenka die Augen auskratzen.«
    »Ist sie etwa hier?«
    »Wie kann sie denn hier sein? Wenn sie hier wäre, hätte sie ihm die Augen gleich hier ausgekratzt. Sie sitzt zu Hause und hat Zahnschmerzen. Hehehe!«
    »Hehehe!«
    In einer dritten Gruppe:
    »Am Ende werden sie diesen Mitenka noch freisprechen.«
    »Dann wird er morgen womöglich das ganze Restaurant ›Zur Residenz‹ in Aufruhr bringen und zehn Tage lang betrunken sein.«
    »Ja, weiß der Teufel.«
    »Ja, der Teufel ist schon im Spiel, ohne den geht es nicht ab. Wo sollte er auch sein, wenn nicht hier?«
    »Meine Herren, es war zwar wirklich eine kunstvolle Rede, aber daß die Kinder ihren Vätern mit schweren Metallstücken die Köpfe einschlagen, das ist wohl doch nicht zulässig. Wo kämen wir sonst hin?«
    »Der Triumphwagen, der Triumphwagen, erinnern Sie sich?«
    »Ja, aus einem Bauernwagen hat er einen Triumphwagen gemacht.«
    »Und morgen wird er aus einem Triumphwagen einen Bauernwagen machen. Je nach Bedarf, immer nach Bedarf.«
    »Ja, geschickte Menschen gibt es jetzt. Herrscht bei uns in Rußland noch Gerechtigkeit, meine Herren, oder ist es damit ganz und gar vorbei?«
    Doch da ertönte die Glocke. Die Geschworenen hatten genau eine Stunde lang beraten, nicht mehr und nicht weniger.

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