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Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
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erstaunlicher Eilfertigkeit ihm bei. »Er würde sich gerade den Sozialisten anschließen und ihnen folgen.«
    Unter jenen »Bewegern der Menschheit«, denen Christus sich anzuschließen hätte, verstand man damals lauter Franzosen: vor allen anderen George Sand, dann den jetzt vollkommen vergessenen Cabet, Pierre Leroux und Proudhon, der gerade erst bekannt zu werden begann. Diese vier wurden von Bjelinski, soweit mir erinnerlich ist, damals am meisten geachtet. Fourier wurde schon längst nicht mehr so geschätzt. Und dann gab es da noch einen Deutschen, den er in jener Zeit auch sehr verehrte: Feuerbach. (Bjelinski, der in seinem ganzen Leben keine einzige fremde Sprache zu erlernen vermochte, sprach den Namen immer »Fijerbach« aus.) Von Strauß wurde mit Ehrfurcht gesprochen.
    Bei einem so warmen Glauben an seine Idee war er natürlich der glücklichste der Menschen. Oh, grundlos hat man später geschrieben, daß Bjelinski, wenn er länger gelebt hätte, zum Slawophilentum übergegangen wäre. Niemals hätte er mit dem Slawophilentum geendet. Bjelinski hätte vielleicht mit der Emigration geendet, wenn er länger gelebt hätte und wenn es ihm gelungen wäre, über die Grenze zu kommen, und würde sich jetzt als kleiner und begeisterter alter Herr mit demselben warmen Glauben, der nicht die geringsten Zweifel zuläßt, irgendwo auf den Kongressen im Deutschland und in der Schweiz herumtreiben, oder sich irgendeiner deutschen Madame Goegg als Adjutant anschließen und für irgendeine Frauenfrage den Laufburschen spielen.
    Dieser glückselige Mensch, der eine so erstaunliche Gewissensruhe besaß, war übrigens mitunter sehr traurig, doch diese Trauer war von besonderer Art, – nicht eine Folge von Zweifeln, nicht von Enttäuschungen, oh nein, – sondern ihre Ursache war die Frage: warum nicht heute, warum nicht morgen? Er war der ungeduldigste Mensch in ganz Rußland. Einmal traf ich ihn gegen drei Uhr mittags bei der Snamenski-Kirche. Er sagte mir, er sei spazieren gegangen und gehe nun nach Hause.
    »Ich komme oft hierher, um zu sehen, wie der Bau fortschreitet« (der Bau des Bahnhofs der Nikolai-Bahn, die damals erst gebaut wurde). »Ich erleichtere mir damit wenigstens das Herz, daß ich hier eine Weile stehe und der Arbeit zusehe: endlich wird es auch bei uns wenigstens eine Eisenbahn geben. Sie glauben nicht, wie dieser Gedanke mich manchmal aufatmen läßt!«
    Das war heiß und schön gesagt; Bjelinski war nie pathetisch. Wir gingen zusammen weiter. Ich weiß noch, unterwegs sagte er zu mir:
    »Ja, erst wenn ich verscharrt sein werde« (er wußte, daß er schwindsüchtig war), »wird man sich besinnen und gewahr werden, wen man verloren hat.«
    In seinem letzten Lebensjahr ging ich bereits nicht mehr zu ihm. Er mochte mich nicht mehr; doch ich nahm damals mit Leidenschaft seine ganze Lehre an. Und wieder ein Jahr später, es war in Tobolsk, als wir in Erwartung unseres ferneren Schicksals im Ostrogg saßen, bis man uns von dort weiter transportierte, gelang es den Frauen der Delabristen, den Aufseher des Ostrogg durch Bitten zu bewegen, ihnen eine heimliche Zusammenkunft mit uns in seiner Wohnung zu gestatten. Wir sahen diese großen Märtyrerinnen, die freiwillig mit ihren Männern nach Sibirien gegangen waren. Sie hatten alles hingegeben: Adel, Reichtum, Verbindungen und Verwandte, hatten alles geopfert für die höchste sittliche Pflicht, für die freieste Pflicht, die es überhaupt gibt. Sie, die selbst in nichts schuldig waren, ertrugen in langen fünfundzwanzig Jahren alles, was ihre verurteilten Männer zu ertragen hatten. Unser Zusammensein währte eine Stunde. Sie segneten uns auf den neuen Weg, bekreuzigten uns und schenkten einem jeden das Neue Testament – das einzige Buch, das im Ostrogg erlaubt ist. Vier Jahre lang lag es im Zuchthause unter meinem Kopfkissen. Ich las es manchmal und las auch anderen daraus vor. Nach diesem Buch lehrte ich einen jungen Zuchthäusler lesen. Um mich herum waren dort gerade die Menschen, die nach Bjelinskis Glauben ihre Verbrechen nicht hatten nicht begehen können , die also im Recht und nur unglücklicher als die anderen waren. Ich wußte, daß auch das ganze russische Volk uns »Unglückliche« nannte, und habe diese Benennung selbst unzählige Male von unzähligen Menschen gehört. Aber es war da immer etwas anderes, es war da gar nicht das, wovon Bjelinski sprach und was jetzt zum Beispiel aus manchen Urteilssprüchen unserer Geschworenen hervorklingt. In

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