Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)
solche Nachricht mir jetzt nicht mehr als Unsinn erscheint, sondern als eine Sache, die ich, im Gegenteil, verstehe , – ja, schon in diesem einen Umstande sehe ich bereits ihre Rechtfertigung!
Ihre Rechtfertigung ! Mein Gott, kann man denn das so sagen!
Ich weiß, das sind nicht die ersten Gymnasiasten, auch andere sind schon vor ihnen geflohen, und zwar, weil wiederum ihre älteren Brüder oder ihre Väter geflohen waren. Erinnern Sie sich der Erzählung Kelssijeffs von dem armen kleinen Offizier, der zu Fuß über Torneo und Stockholm zu Herzen nach London floh, wo dieser ihn in seiner Druckerei als Setzer anstellte? Und erinnern Sie sich der Erzählung Herzens von dem jungen Kadetten, der, wenn ich mich nicht irre, nach den Philippinen auswanderte, um dort die Kommune einzuführen, und Herzen 20 000 Franken für die zukünftigen Emigranten übergab? Und solche Fälle gab es schon in einer Zeit, die heute für uns doch bereits längst historisch ist! Und wer ist seitdem nicht schon ausgewandert, um in Amerika »freie Arbeit« in einem »freien Staate« zu erproben: Greise, Väter, Brüder, Jungfrauen, Gardeoffiziere ... höchstens Seminaristen hat es unter ihnen vielleicht noch nicht gegeben. Sind nun diese kleinen Kinder anzuklagen, diese drei Gymnasiasten aus der Quinta, wenn die großen Ideen von der »freien Arbeit im freien Staate« und von der Kommune und vom allgemein-europäischen Menschen auch ihre schwachen Köpfchen überwältigt haben? Sind sie anzuklagen, weil dieses ganze Gewäsch ihnen als Religion und der Absenteismus und der Verrat am Vaterlande als lobsame Tat erschienen? Wenn man sie aber anklagt, dann stelle man doch fest, inwieweit das ihre Schuld war? – das ist doch noch die Frage.
Der Verfasser des kleinen Artikels in der »Russischen Welt« führt zur Bekräftigung seiner Auffassung, daß an »ähnlichen Verrücktheiten« nur müßige, unreife Faulenzer beteiligt seien, die schon bekannten und so erfreulichen Worte des Ministers der Volksaufklärung an, die der Minister in Kiew nach der Besichtigung der Unterrichtsanstalten in sieben Kreisen geäußert hat: daß » in den letzten Jahren die Jugend sich unvergleichlich ernster zur Wissenschaft verhalte, viel mehr und unvergleichlich gründlicher arbeite, als früher «.
Ja, das sind natürlich erfreuliche Worte, Worte, die vielleicht unsere einzige Hoffnung enthalten. In der Unterrichtsreform der gegenwärtigen Regierung liegt fast unsere ganze Zukunft und wir wissen das. Aber derselbe Minister hat in derselben Rede, wie ich mich erinnere, auch erklärt, daß man auf die definitiven Früchte der Reform noch lange wird warten müssen. Wir haben immer daran geglaubt, daß unsere Jugend mehr als nur befähigt ist, sich ernster zur Wissenschaft zu verhalten. Doch vorläufig ist rings um uns noch ein solcher Nebel von falschen Ideen, umgeben so viele Vorspiegelungen und Vorurteile sowohl uns wie auch unsere Jugend, und nimmt unser ganzes gesellschaftliches Leben, das Leben der Väter und Mütter dieser Jugend, immer mehr eine so sonderbare Gestalt an, daß man manchmal unwillkürlich nach allen nur möglichen Mitteln sucht, um aus den Zweifeln herauszukommen. Eines von solchen Mitteln ist: selbst etwas weniger herzlos zu sein, sich wenigstens manchmal nicht dessen zu schämen, daß irgend jemand einen deshalb einen Bürger nennt, und ... wenigstens manchmal die Wahrheit zu sagen, – selbst wenn diese nach Ihrer Meinung, meine Herren, nicht genügend liberal ist.
George Sands Tod.
Das vorige Heft des Tagebuches – die Mai-Nummer – war schon gesetzt und wurde bereits gedruckt, als ich in den Zeitungen die Nachricht vom Tode George Sands las (am 27. Mai oder 8. Juni neuen Stils). So war es mir nicht mehr möglich, ein Wort über diesen Tod zu sagen. Aber es war mir, als ich die Nachricht las, im Augenblick ganz klar geworden, was dieser Name in meinem Leben bedeutet hatte, wieviel gerade dieser Dichter seinerzeit Entzücken und Verehrung in mir erweckt und auf seinen Namen vereint hat, und wieviel Freuden, ja Glück er mir einst gegeben! Ich schreibe dreist jedes dieser Worte hin, denn alles das war buchstäblich so. Das war eine unserer (d. h. unserer) Zeitgenossinnen im vollen Sinn des Wortes – diese Idealistin der dreißiger und vierziger Jahre. Es ist das einer jener Namen unseres mächtigen, selbstgewissen und gleichzeitig kranken Jahrhunderts, das voll ist von noch ungeklärtesten Idealen und unstatthaftesten Wünschen
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