Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)
– einer jener Namen, die, nachdem sie dort bei sich im »Lande der heiligen Wunder« auftauchten, von uns, aus unserem ewig sich erschaffenden Rußland gar zu viel Denken, Liebe, heilige und edle Aufschwungskraft, lebendiges Leben und teure Überzeugungen zu sich hinüberzogen. Doch nicht steht es mir an, darüber zu klagen: indem hier solche Namen erhöht und verehrt wurden, erfüllten und erfüllen die Russen nur ihre unmittelbare Bestimmung. Möge man sich nicht über diese meine Worte wundern, im besonderen über ihre Verbindung mit George Sand, über deren Wert als Schriftstellerin man ja immer noch geteilter Ansicht sein kann und die man bei uns heute zur Hälfte, wenn nicht gar zu neun Zehnteln schon vergessen hat. Aber ihre Tat hat sie bei uns zu ihrer Zeit immerhin vollbracht und darum: wer sollte sich nun an ihrem Grabe versammeln und ihrer gedenken, wenn nicht wir, ihre Zeitgenossen aus der ganzen Welt? Wir Russen haben doch zwei Vaterländer: unser Rußland und Europa, und das selbst in dem Fall, wenn wir uns Slawophile nennen (mögen diese sich deshalb nicht über mich ärgern). Dagegen zu streiten ist nicht nötig. Die größte von den großartigen zukünftigen Bestimmungen, die von den Russen vorausschauend bereits erkannt sind, ist die allgemein-menschliche Bestimmung, ist das der Menschheit Dienen, – nicht Rußland allein, nicht dem Panslawismus allein, sondern der Allmenschheit. Denken Sie nach und Sie werden zugeben, daß die Slawophilen dasselbe bekannt haben, und eben deshalb aber rief man uns auf, strenge, feste und verantwortungsbewußte Russen zu sein: indem man dies so versteht, daß Allmenschlichkeit die wichtigste persönliche Note und Bestimmung des Russen ist. Übrigens bedarf alles das noch vielfacher Erläuterung: so schon dies allein, daß jenes Dienen der allgemein-menschlichen Idee und das leichtsinnige Herumtreiben in Europa, nachdem man freiwillig und launisch dem Vaterlande den Rücken gekehrt hat, zwei ganz verschiedene und entgegengesetzte Dinge sind, die aber bisher immer noch miteinander verwechselt werden, als handle es sich dabei im wesentlichen um dasselbe. Im Gegenteil, vieles, sehr vieles von dem, was von uns aus Europa genommen und zu uns verpflanzt worden ist, haben wir nicht einfach kopiert, wie Sklaven nach Herren und wie das von gewissen Leuten unbedingt gefordert wird, sondern wir haben es unserem Organismus, unserem Fleisch und Blut eingeimpft; manches aber haben wir ganz selbständig erlebt und sogar durchlitten, ganz wie jene dort, im Westen, für die alles das ihr blutlich Eigenes war. Die Europäer werden uns das zwar um keinen Preis glauben wollen; sie kennen uns nicht, und vorläufig ist es auch besser so. Um so unmerklicher und ruhiger wird sich der notwendige Prozeß vollziehen, der in der Folge die ganze Welt in Erstaunen setzen wird. Gerade diesen Prozeß aber kann man am klarsten und greifbarsten auch an unserem Verhältnis zu den Literaturen der anderen Völker verfolgen. Ihre Dichter stehen uns, wenigstens der Mehrzahl unserer entwickelten Menschen, genau so nah, wie ihnen dort in ihrer Heimat, im Westen. Ich behaupte und wiederhole, daß jeder europäische Dichter, Denker, Philantrop außerhalb seines Landes am meisten und allernähesten auf der ganzen übrigen Welt immer in Rußland verstanden und aufgenommen wird. Shakespeare, Byron, Walter Scott, Dickens sind den Russen verwandter und verständlicher, als zum Beispiel den Deutschen, obschon natürlich von den Übersetzungen dieser Schriftsteller bei uns nicht einmal ein Zehntel der Exemplare verkauft werden, wie in dem bücherreichen Deutschland. Der französische Konvent, der im Jahre 1893 ein Patent auf das Bürgerrecht au poète allemand Schiller, I'ami de I'humanité schickte, vollbrachte damit zwar eine sehr schöne, großartige und prophetische Tat, nur ahnte er nicht einmal, daß am anderen Ende Europas, im barbarischen Rußland, derselbe Schiller viel nationaler war, den russischen Barbaren viel näher stand, als viel verwandter, eigener empfunden wurde, als dies in Frankreich von seiten der Franzosen geschah, und das war nicht nur damals so, sondern auch später, in unserem ganzen Jahrhundert, in dem diesen Schiller, den französischen Bürger und I'ami de I'humanité, in Frankreich nur die Professoren der Literatur kannten, und selbst von diesen nicht alle und auch die nur kaum. Bei uns aber hat er sich, zugleich mit Shukowski, in die russische Seele hineingesogen, einen Stempel in
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