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Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
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Axiome, wie sie nur in Rußland gezogen werden; in Europa dagegen wird selbst die Möglichkeit solcher Schlußfolgerungen, wie man hört, nicht einmal für möglich gehalten. Man wird mir nun vielleicht sagen, daß diese Herrschaften keineswegs Böses lehren; daß, wenn z. B. Strauß Christus auch haßt und die Verspottung und Bespeiung des Christentums sich auch zum Lebensziel gesetzt hat, er doch gleichzeitig die Menschheit im ganzen vergöttert, und daß seine Lehre so erhaben und edel ist, wie nur denkbar. Es ist sehr gut möglich, daß alles das sich wirklich so verhält, und daß die Ziele aller gegenwärtigen Führer des europäischen fortschrittlichen Gedankens menschenfreundlich und großartig sind. Doch dafür scheint mir folgendes unzweifelhaft zu sein: daß, wenn man allen diesen gegenwärtigen höheren Lehrern die volle Möglichkeit gäbe, die alte Gesellschaft zu zerstören und eine neue aufzubauen, – eine solche Finsternis entstünde, ein solches Chaos, etwas dermaßen Rohes, Blindes und Unmenschliches, daß das ganze Gebäude unter den Flüchen der Menschen zusammenbrechen würde, noch bevor es vollendet ist. Wenn der Menschenverstand erst einmal Christus verworfen hat, kann er zu erstaunlichen Resultaten kommen. Das ist ein Axiom. Europa lehnt, – wenigstens in den höheren Vertretern seines Gedankens, – Christus ab, wir aber sind bekanntlich verpflichtet, Europa nachzuahmen.
    Es gibt im Leben der Menschen historische Momente, wo ein unzweifelhaftes, freches, rohestes Verbrechen nur für Seelengröße gelten kann, nur für edle Mannhaftigkeit der Menschheit, die sich aus den Ketten reißt. Bedarf es hierzu wirklich noch der Anführung von Beispielen, gibt es deren nicht Tausende, nicht Zehn-, nicht Hunderttausende? Das ist natürlich ein verzwicktes und unbegrenzbares Thema und in einem Feuilletonartikel ist es sehr schwer, darauf einzugehen, aber immerhin kann man, als Resultat, denke ich, auch meine Annahme zulassen: daß sogar ein ehrlicher, auch ein treuherziger Junge, sogar ein gut lernender, sich mitunter in einen Netschajewzen verwandeln kann ... selbstverständlich: wenn er auf einen Netschajeff stößt; das ist schon sine qua non ...
    Wir, wir Petraschewzen, standen auf dem Schafott und hörten die Verlesung unserer Verurteilung ohne die geringste Reue an. Selbstverständlich kann ich mich nicht für alle verbürgen; aber ich glaube, daß ich mich nicht irre, wenn ich sage, daß damals, in jenen Minuten, wenn auch nicht alle ohne Ausnahme, so doch mindestens die übergroße Mehrzahl von uns es für eine Ehrlosigkeit gehalten hätte, sich von ihren Überzeugungen loszusagen. Dieser ganze Prozeß gehört nun schon einer alten Vergangenheit an und darum ist es vielleicht schon gestattet, zu fragen: waren dieser Starrsinn und diese Reuelosigkeit wirklich nur die Anzeichen schlechter Naturen, waren sie das Kennzeichen unreifer Raufbolde? Nein, wir waren keine Raufbolde, ja vielleicht waren wir nicht einmal schlechte junge Menschen. Die Verlesung des Urteils, das auf Tod durch Erschießen lautete, erfolgte durchaus nicht wie zum Scherz, sondern in allem Ernst; fast alle Verurteilten waren überzeugt, daß das Urteil unfehlbar vollstreckt werden würde und ertrugen mindestens zehn furchtbare, maßlos schreckliche Minuten der Erwartung des Todes. In diesen letzten Minuten haben manche von uns (ich weiß das bestimmt), indem sie sich instinktiv in sich selbst versenkten und in einem Augenblick ihr ganzes noch so junges Leben durchprüften, – vielleicht auch manch ein schweres Vergehen bereut (eines von jenen, die jeder Mensch sein ganzes Leben lang im geheimen auf seinem Gewissen liegen hat); aber die Angelegenheit, für die man uns verurteilte, die Gedanken, die Begriffe, die unseren Geist beherrschten, – die erschienen uns nicht nur nicht reueheischend, sondern geradezu als etwas uns Läuterndes, als ein Märtyrertum, für das uns vieles vergeben werden würde! Und das blieb so für eine lange Zeit. Weder Jahre der Verbannung, noch Leiden brachen uns. Im Gegenteil, nichts brach uns, und unsere Überzeugungen taten nur dies, daß sie unseren Geist durch das Bewußtsein der erfüllten Pflicht aufrecht erhielten. Nein, es war etwas anderes, was unseren Blick, unsere Ansichten, Überzeugungen und Herzen änderte (ich erlaube mir natürlich nur von jenen aus unserer Schar zusprechen, von denen die Tatsache, daß sie ihre Überzeugungen geändert haben, bereits bekannt und in der einen oder

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