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Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
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erwartet mich? Um Christi willen, kommen Sie sogleich zu mir, Makar Alexejewitsch! Ich flehe Sie an, kommen Sie!
     
    18. September.
    Meine liebe Warwara Alexejewna!
    Heute ist in unserem Hause etwas unendlich Trauriges, Unerklärliches und ganz Unerwartetes geschehen. Doch ich will Ihnen alles der Reihenfolge nach erzählen.
    Also das Erste war, daß unser armer Gorschkoff freigesprochen wurde. Das Urteil war wohl schon lange eine beschlossene Sache, aber erst für heute hatte man die Verkündung des Endspruches festgesetzt. Die Sache endete für ihn sehr günstig. All der Dinge,deren man ihn beschuldigt hatte – der Unachtsamkeit, Nachlässigkeit usw. – wurde er freigesprochen. Das Gericht stellte in vollem Umfange seine Ehre wieder her und verurteilte den Kaufmann zur Auszahlung jener bedeutenden Geldsumme an Gorschkoff, so daß sich jetzt auch seine äußere Lage mit einem Schlage gebessert hat, da das Geld ganz sicher ist und vom Kaufmann auf gerichtlichem Wege eingezogen werden wird. Das Wichtigste aber war natürlich, daß der Schandfleck entfernt wurde, der mit dieser Anklage auf seiner Ehre lag. Mit einem Wort, alle seine Wünsche gingen in Erfüllung.
    Gegen drei Uhr kam er nach Hause. Er war kaum wiederzuerkennen. Sein Gesicht war bleich wie Kreide. Die Lippen zitterten, und dabei lächelte er in einem fort – so umarmte er seine Frau und die Kinder. Wir gingen alle, eine ganze Schar, zu ihm, um ihn zu beglückwünschen. Ich glaube, unsere Handlungsweise rührte ihn sehr, er dankte nach allen Seiten und drückte einem jeden mehrmals die Hand. Ja, es schien sogar, als ob er ordentlich gewachsen sei, wenigstens hielt er sich weit strammer, als sonst, und auch die Augen tränten nicht mehr, sondern glänzten förmlich. Er war so erregt, der Arme. Keine zwei Minuten hielt er es auf ein und derselben Stelle aus: alles nahm er in die Hand, um es sogleich wieder zurückzulegen, bald faßte er die Stuhllehnen an, lächelte, dankte, dann setzte er sich, stand jedoch gleich wieder auf, setzte sich von neuem und sprach Gott weiß was alles zusammen. Einmal sagte er: »Meine Ehre, ja, meine Ehre – ein guter Name, der bleibt jetzt meinen Kindern …« und Siehätten hören müssen, wie er das sagte! Die Augen standen ihm voll Tränen, und auch wir waren den Tränen nahe. Ratasäjeff wollte wohl ablenken und sagte deshalb:
    »I, was, Väterchen, was macht man mit der Ehre, wenn man nichts zu essen hat! Geld, Väterchen, Geld ist die Hauptsache. Für das Geld, ja dafür können Sie Gott danken!« – und dabei klopfte er ihm auf die Schulter.
    Mir schien es, als ob Gorschkoff sich dadurch irgendwie gekränkt fühlte. Nicht gerade, daß er den Beleidigten gespielt hätte, aber er sah doch den Ratasäjeff so eigentümlich an und nahm zur Antwort dessen Hand von seiner Schulter. Früher jedenfalls wäre das nicht geschehen, mein Kind. Uebrigens sind die Charaktere verschieden. Ich zum Beispiel hätte in der Freude ganz sicher nicht gleich den Stolzen gespielt. Macht man doch, meine Liebe, macht man doch oft genug einen ganz unnötigen Bückling, macht ihn aus keinem anderen Grunde, als einzig aus überflüssiger Weichheit oder in einer Anwandlung gar zu großer Gutherzigkeit … Doch handelt es sich hier nicht um mich –
    »Ja,« sagte Gorschkoff nach einer Weile, »auch das Geld ist gut. Gott sei Dank … Gott sei Dank …«
    Und dann wiederholte er noch mehrmals vor sich hin: »Gott sei Dank … Gott sei Dank …«
    Seine Frau bestellte ein etwas reichlicheres und besseres Mittagessen. Unsere Wirtin kochte es selbst. Unsere Wirtin ist nämlich im Grunde eine gute Frau.
    Bis zum Essen konnte Gorschkoff keinen Augenblick stillsitzen. Er ging zu allen in die Zimmer, gleichviel,ob man ihn aufgefordert hatte oder nicht. Er trat ganz einfach ein, lächelte in seiner Weise, setzte sich auf einen Stuhl, sagte irgend etwas, oder sagte auch nichts – und dann ging er wieder. Bei unserem Seemann, bei dem man gerade spielte, nahm er sogar Karten in die Hand und man ließ ihn auch als vierten mitspielen. Er spielte, spielte, brachte aber nur Verwirrung ins Spiel und warf die Karten nach drei oder vier Runden wieder hin.
    »Nein, ich habe ja nur so …« soll er gesagt haben, »ich habe ja nur so …« und damit ist er wieder aus dem Zimmer gegangen.
    Mir begegnete er im Korridor, ergriff meine beiden Hände und sah mir lange in die Augen, aber mit einem ganz eigentümlichen Blick. Dann drückte er meine Hände und ging

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