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Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
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ich erbleichte. Er trat, wie das so seine Art ist, mit lautem Lachen ins Zimmer, nahm ganz ungeniert einen Stuhl und setzte sich. Es dauerte eine Weile, bis ich meine Fassung wiedergewann. Endlich setzte ich mich wieder ans Fenster, an meine Arbeit! Er hörte übrigens bald auf, zu lachen. Augenscheinlich hat ihn mein Aussehen doch überrascht. Ich habe ja in der letzten Zeit so abgenommen, meine Wangen und Augen sind eingefallen, und ich war so bleich wie eine Tote … Ja, esmuß allerdings schwer sein für die, die mich vor einem Jahre gekannt haben, mich jetzt wiederzusehen.
    Er betrachtete mich lange und aufmerksam, endlich heiterte sich seine Miene wieder auf. Er machte irgendeine Bemerkung – ich weiß nicht mehr, was ich antwortete – und lachte wieder. Eine ganze Stunde saß er so bei mir, fragte mich nach diesem und jenem und unterhielt sich mit mir ganz ungezwungen. Endlich, bevor er aufbrach, erfaßte er meine Hand und sagte (ich schreibe es Ihnen wortwörtlich):
    »Warwara Alexejewna! Unter uns gesagt: Anna Fedorowna, Ihre Verwandte und meine alte Bekannte und Freundin, ist ein höchst gemeines Weib.« (Er benannte sie außerdem noch mit einem ganz unanständigen Wort.) »Sie hat jetzt auch Ihre Kusine vom rechten Wege abgelenkt, und auch Sie hat sie dem Verderben zuführen wollen. Na, aber auch ich habe mich in diesem Falle recht als Schuft gezeigt: doch schließlich, was soll man darüber viel Worte verlieren, das ist so eine alltägliche Geschichte, wie das Leben sie eben mit sich bringt.« Wieder lachte er laut. Darauf bemerkte er, daß er kein glänzender Redner sei, daß er das Wichtigste, was er zu sagen hatte, ja, was zu verschweigen ihm seine Anständigkeit einfach verboten hätte, bereits gesagt habe, und daß er daher das Uebrige in kurzen Worten zu erklären gedenke. Und so tat er es auch: er erklärte mir, daß er um meine Hand anhalte, daß er es für seine Pflicht erachte, mir meine Ehre wiederzugeben, daß er reich sei und mich nach der Hochzeit auf sein Gut im Steppengebiet bringen werde. Dort gedenke er Hasen zu jagen, nach Petersburgaber wolle er nie mehr zurückkehren, denn das Großstadtleben sei ihm widerwärtig. Außerdem habe er hier einen Neffen, einen hoffnungslosen Taugenichts, wie er ihn nannte, und er habe sich geschworen, diesen um die erwartete Erbschaft zu bringen. Hauptsächlich deshalb habe er sich entschlossen, zu heiraten, das heißt, er wolle rechtmäßige Erben hinterlassen. Darauf äußerte er sich noch über unsere Wohnung, meinte, es wäre schließlich kein Wunder, daß ich krank geworden sei, wenn ich in einer so jämmerlichen Hintertreppenstube wohne, und prophezeite mir meinen nahen Tod, wenn ich noch lange hierbliebe. In Petersburg seien die Wohnungen überhaupt elend, sagte er, und dann fragte er, ob ich nicht irgendeinen Wunsch habe.
    Ich war so erschreckt durch seinen Antrag, daß ich plötzlich – ich weiß selbst nicht, weshalb – in Tränen ausbrach. Er hielt sie natürlich für Tränen der Dankbarkeit und sagte, er sei von jeher überzeugt gewesen, daß ich ein gutes, gefühlvolles und gebildetes Mädchen sei, doch habe er sich nicht früher zu seinem Antrag entschlossen, als nachdem er alles Nähere über mich und meine Lebensführung erfahren. Hierauf erkundigte er sich nach Ihnen, sagte, er wisse bereits alles, Sie seien ein anständiger Mensch, und er wolle nicht in Ihrer Schuld stehen – ob Ihnen 500 Rubel genug wären für alles, was Sie für mich getan haben? Als ich ihm darauf antwortete, daß Sie für mich das getan, was man mit Geld nicht zu bezahlen vermöge, sagte er, das sei Unsinn; so etwas käme wohl in Romanen vor, ich sei noch jung und beurteile das Leben nach Büchern: Romane aber setzten jungen Mädchenbloß verschrobene Ideen in den Kopf, und überhaupt möchte er von Büchern ohne weiteres behaupten, daß sie nur die Sitten verdürben, weshalb er Bücher nicht leiden könne. Er riet mir, erst sein Alter zu erreichen, dann könne ich von Menschen reden, »dann erst,« sagte er, »werden Sie die Menschen kennen gelernt haben.«
    Darauf riet er mir, über seinen Antrag nachzudenken und mir alles reiflich zu überlegen, denn es wäre ihm sehr unangenehm, wenn ich einen so wichtigen Schritt unüberlegt tun würde, und er fügte noch hinzu, daß Unbedachtsamkeit und stürmische Entschlüsse die unerfahrene Jugend stets ins Verderben zu führen pflegten, doch sei es sein größter Wunsch, eine zusagende Antwort von mir zu erhalten:

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