Werke
zuerst bei dem der jungen Sängerin, die sich als seine Schülerin bezeichnete, dann als Komponist des Liedes, das soeben diesen Raum belebt hatte.
Ich war aufgestanden und blickte um mich her; mir war, als müßte ich irgendwo unter den Zuhörern doch auch ihn selbst entdecken, sein altes liebes Gesicht, um dessen Mund noch immer ein Kinderlächeln spielte. – Es war eine Täuschung: mein alter Freund hatte den süßen Lerchenton seines Jugendliedes nicht gehört, aber auf dem Antlitz der Zuhörer lag es wie eine stille Freude; mir selber war, als sei ich eben nun doch noch mit dem stillen Meister auf seinem Veilchenplatz gewesen.
Von dem noch übrigen Teil des Konzertes hatte ich nicht viel vernommen. Aber auf dem verhaßten Schrägpfühl des Hotelbettes, worauf ich bald wie ein Gekreuzigter ruhte, trösteten mich bis zum endlichen Einschlummern die lieblichen Töne jenes Liedes, die zwischen dem vor den Fenstern tosenden Oktobersturm wie mit Kinderstimmen immer wieder vor meinem innern Ohre hallten. Dabei gaukelte vor den geschlossenen Augen das etwas blasse Antlitz der Sängerin. – – So hatte er es also doch erreicht! Die ganze Kunst der alten Signora Katerina sang mit Glockenstimme aus diesem jungen Menschenkind! Denn keinen Augenblick war ich in Zweifel, wen ich hatte singen hören, obgleich ich mich der Züge jenes zwiefach geliebten Kindes nicht mehr erinnerte und auch der Familienname desselben niemals mir bekannt geworden war. Ich nenne ihn auch hier nicht. Zwar machte sie damals von sich reden, ja sie stellte sogar für eine kurze Zeit die neue und die alte Musikwelt einander in hellem Streite gegenüber; bald aber tauchte sie in die große Menge derer zurück, die ihr Leid und Freud in kleinem Kreise ausleben, von denen nicht geredet wird.
Mein erster Gedanke am andern Morgen war selbstverständlich, sie aufzusuchen und Nachricht von dem fast vergessenen Freunde einzuholen; aber eine unvorhergesehene Verlängerung einiger Geschäfte hinderte mich daran. Da half der Freund, der mich gestern so entschlossen ins Konzert geführt hatte und nach Beendigung desselben ziemlich treulos von mir verlassen war. In seinem Hause traf ich abends mit ihr zusammen.
Es waren viele Gäste dort versammelt; wie ich bald bemerkte, lauter Musikfreunde reinsten Stiles; auch mit dem alten Mozartianer von gestern vollbrachte ich ein verständnisvolles Händeschütteln.
Aber dort stand sie selbst, freundlich plaudernd mit einem hübschen Töchterchen des Hauses, von dem sie, wie es schien, soeben als Gegenstand der Anbetung eingefangen war.
Als ich, nach Begrüßung der Hausfrau, ihr von meinem Freunde vorgestellt wurde, legte sie den Arm um den Nacken des Kindes und zog es zärtlich an sich. Eine Weile ruhte ihr Blick prüfend auf meinem Antlitz; dann reichte sie mir die Hand.
»Nicht wahr«, sagte ich, »Sie sind es? Wir feierten einstmals einen Sonntagnachmittag zusammen?«
Sie nickte lächelnd. »Ich habe es nicht vergessen! Mein alter Freund und Lehrer hat noch oft von Ihnen gesprochen; besonders wenn es Frühling ward; Sie wollten ja mit uns nach seinem Veilchenplatze!«
»Mir ist«, erwiderte ich leise, »als seien gestern abend wenigstens wir beide dort gewesen.«
Ein herzlicher Blick flog zu mir hinüber. »Sie waren im Konzert? Oh, das freut mich!« Dann schwiegen wir eine Weile, während sie sich zu dem Kinde hinabbeugte, das sich noch immer an sie schmiegte.
– »Sie haben sich«, begann ich wieder, »im Programm als seine Schülerin bezeichnet; es ist sonst nicht die Weise der Künstlerinnen, mit einem alten Lehrer ihren Ruhm zu teilen!«
Sie errötete tief. »Oh«, rief sie, »ich habe an so etwas nicht gedacht! Ich weiß nicht, weshalb ich es getan; es verstand sich so von selbst, mir ist, als werde ich noch immer von seiner Hand gehalten; ich danke ihm so viel!«
»Aber er selbst«, erwiderte ich, »unser Meister Valentin, was meinte er dazu?«
Sie sah mich mit ihren stillen Augen an. »Das ist es eben«, sagte sie, »er ist schon lange nicht mehr auf dieser Erde.«
Auch die junge Sängerin habe ich nicht wiedergesehen. Hoffentlich ist sie seit Jahren eine glückliche Mutter; und in der Dämmerstunde, wenn die Arbeit ruht und die heilige Stille der Nacht sich vorbereitet, dann öffnet sie wohl auch einmal den Flügel und singt ihren Kindern das süße Lerchenlied des längst verstorbenen Freundes.
Und auch das ist ein gesegnetes Angedenken.
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Psyche
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Es war an einem Vormittage im
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