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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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Schlafrock an und die Zipfelmütze auf dem Kopfe. Er war immer ein leutseliger Herr gewesen. ›Komm, Kathi‹, rief er; ›nimm die kleine Elsabe auf den Arm; ich will euch mein Ranunkelbeet da oben an der Mauer zeigen!‹ – – Aber, was sahen wir, Frölen, was sahen wir!« – Das Frölen nickte. – »Da saß das feine Dingelchen auf der halsbrechenden Mauer, wie die Prinzeß im Kinderdöntje, und die Blumen hingen um sie herum; sie rührte eben mit einem Löffelchen in der kleinen Tasse, die sie in der Hand hielt, und brachte sie dann an den Mund, als wenn sie wirklich tränke, und nickte ihrer großen Puppe zu, die auch, in einem Korbstühlchen, ihr gegenüber an dem Tische saß. – Es schlug mir durch die Glieder; ich hätte bald das Tantchen Elsabe aus meinen Armen fallen lassen, und dem Herrn Bürgermeister stiegen die Haare und die Zipfelmütze in die Höhe; da stand er in seinem schönen Schlafrock und wagte weder A noch B zu sagen. – Doch nun war sie uns gewahr geworden: ›O Papa! – Papa und Kathi!‹ sagte sie erstaunt und drehte ganz zierlich das Hälschen zu uns hin. – Aber Papa winkte nur stumm mit seinen Händen. – ›Was soll ich, lieber Papa? Soll ich zu dir hinunterkommen? – Gleich, gleich! Aber dann fang, Papa!‹ – Und eh wir’s uns versahen, warf sie dem Herrn Bürgermeister all ihre Puppentäßchen und Löffelchen zu, und er sagte gar nichts und suchte sie nur, so gut er konnte, einzufangen. Und dann, als das Tischchen leer war, nahm sie ihre Puppe in den Arm,ging wie ein Seiltänzer ein paar Schritte auf der runden Mauer hin, und – Herr Jesus! ich und der Herr Bürgermeister und das Tantchen Elsabe schrien alle miteinander auf – da flog der kleine Unband mit der großen Puppe selbst herab und mitten in des Herrn Bürgermeisters Ranunkelbeet hinein!«
    Die Augen des jungen Mädchens glänzten. »Weißt du, Kathi«, sagte sie, »Mama muß reizend gewesen sein! Hätte ich sie so nur einmal sehen können! – Meine Mama ist noch reizend, und jung, Kathi! Ich glaub, sie könnt noch heute von der Mauer springen.«
    Die Alte schüttelte den Kopf. »Was das Frölen für Gedanken hat! Aber freilich, dazumalen gab’s Tag für Tag was Neues mit dem hübschen Kindchen.«
    Sie hatte eben zu weiterem Erzählen die Hände übers Knie gefaltet, als die Tür des Schuppens von einem Windstoß aufgerissen wurde; ein vorbeifliegender Brachvogel stieß seinen weithin hallenden Schrei aus; vom Ufer herauf konnte man das Wasser klatschen hören.
    Die leichte Gestalt des Mädchens stand plötzlich hoch aufgerichtet vor der Alten. »Oh, du betrügerische Kathi!« rief sie und hob drohend ihre kleine Faust; »nun merk ich’s erst, du wolltest mich hier fest-erzählen, bis deine große Tombakuhr auf eins marschierte und ich dann zu Mama nach Hause müßte! Aber diesmal Kathi!« – – Noch einen anmutigen Knicks vor der Alten, und schon war sie draußen und machte mit den kleinen Händen eine Schwimmbewegung in die Luft.
    Die Alte war mit hinausgelaufen; aber sie sah ihr Spiel verloren. »Nur um’s Himmels willen, Kind! Sie wollen doch heut nicht aus dem Floß hinausschwimmen?«
    »Und warum nicht, Kathi? Du weißt ja, ich versteh’s! Und ich sag dir, es wird ’ne Lust!
     
    Der Fisch und der Vogel
    Der Wind und die Wellen
    Sind alle meine Spielgesellen!«
     
    Und singend schritt sie über das grüne Vorland zum Ufer hinab, den schönen Kopf dem Winde zugewandt; über den nackten Füßchen flatterte das leichte Sommerkleid.
    Kopfschüttelnd ging die Alte in ihren Schuppen zurück. Strümpfe und Schühchen ihres Lieblings, die diese allerdings vor der Ruhebank hatte liegenlassen, legte sie fein beiseit; dann goß sie aus einem Kruge Wasser in einen kleinen Blechkessel und zündete die Spritmaschine an. »Das Kind wird heute auch wohl eine Tasse nehmen«, sagte sie, indem sie eins der braunen Kännchen von dem Regal herabnahm und den Inhalt des Kaffeedütchens in den daraufgesetzten Trichter leerte.
    Aber es ließ ihr doch keine Ruhe; ihr war wie der Henne, die einen Wasservogel ausgebrütet hat. Ein paarmal hatte sie schon den Kopf zur Tür hinausgesteckt; jetzt lief sie vollends an den Strand hinab. Der Steg zum Badefloß war völlig überschwemmt, so daß das schaukelnde Bretterhaus ohne alle Verbindung mit dem Lande schien. Weithin dehnte sich die grüne, wogende Wasserfläche; das jenseitige Vorland war so weit überflutet, daß ihre Augen nur noch undeutlich dort den grünen Ufersaum

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