Werke
kamen. Mich trieb eine Angst – – nein, frag mich nicht! Ich weiß nicht, was! Aber hier hab ich mich sehr gefürchtet.«
»Welche andern?« fragte er.
»Die mit mir hier sind: mein Oheim und meine Mutter. Ich war mit ihnen oben in den Gemäldesälen; ganz heimlich bin ich ihnen fortgelaufen.«
Dann plötzlich schoß es wie ein Blitz des alten Übermutes über das ein wenig blasse Antlitz. »Aber«, rief sie, »wie heißt du denn? Mein Gott, ich weiß nicht einmal deinen Namen!«
»Ja, rat einmal!«
Sie schüttelte das Köpfchen, daß die blonden Haare ihr in die Stirn fielen. »Nein, rate du zuerst!«
»Ich? Was soll ich raten?«
»Was du raten sollst? Als ob ich keinen Namen hätte!«
»Aber den kenne ich ja längst!« Er strich das seidene Haar ihr von der Stirn. »Sieh nur hin! Das bist du ja! Und glaub es nur, ich habe jeden Tag zu dir gesprochen in all der langen, langen Zeit.«
Von dunklem Purpur übergossen, schlang sie die Hände um seinen Hals und ließ ihn tief in ihre Augen blicken. »Oh, welch ein Glück, daß du der Künstler bist!«
Mit beiden Armen umfaßte er die Geliebte und küßte zum ersten Male den jungfräulichen Mund. – Dann aber flüsterten sie sich ihre Namen zu, ganz leise, als seien es Geheimnisse, die selbst die steinernen Gestalten um sie her nicht wissen dürften; und als sie seinen Namen hörte, rief sie: »Oh, wie schön! Du konntest gar nicht anders heißen!« Er aber blickte ganz träumerisch auf sie nieder; er konnte es nicht verstehen, daß sie »Maria« heiße.
Sie lachte, als er ihr das sagte, und flüsterte ihm zu: »Die alte Bürgermeisterin sagt es auch, ich sei verkehrt getauft.«
»Getauft!« wiederholte er fast staunend. »Wie seltsam doch, daß du getauft bist!«
Einen Augenblick sah sie ihn fragend an; dann wie zwei glückliche Kinder, lachten beide miteinander.
Aber sie waren hier nicht mehr allein. Vom Eingange her nahten sich Schritte, und im mittleren Saale wurde eine noch immer schöne Frau am Arme eines älteren Mannes sichtbar.
»Dein Töchterchen«, sagte dieser, nicht ohne einen Ausdruck von Besorgnis, »scheint doch nicht hier zu sein.«
Die Frau an seinem Arme lächelte. »Du mußt dich schon daran gewöhnen, daß sie ihre eigenen Wege geht; sie wird wohl oben noch von irgendeinem Bild gefangen sein. Aber die gerettete Psyche, wo ist denn die?«
Sie erhielt keine Antwort; denn in demselben Augenblick hing auch das Kind an ihrem Halse. »Hier ist sie, Mutter; deine Tochter ist es! Oh, seid beide gut und freundlich!« Die jungen Augen glänzten; über die geöffneten Lippen ging schwer der Atem aus und ein.
»Mein Kind, mein liebes Kind!«
Die Mutter wollte sie beruhigen; aber schon hatte sie in freudiger Hast deren beide Hände ergriffen und zog sie über die Schwelle in den letzten Saal, wo der Geliebte in stummer Erwartung neben seinem Werke stand.
Daheim in der Werkstatt des Künstlers ging derweile zwischen den Statuen und Modellen eine kleine alte Frau umher. Sie schien so recht nicht etwas vorzuhaben, trotz des Staubtuches in ihrer Hand, mit dem sie hie und da an den umherstehenden Dingen sich zu tun machte. Endlich hatte sie sich in den Sessel neben der Modellierscheibe niedergelassen, ein stiller Seufzer ging über ihre Lippen, ein Seufzer, daß doch die großen Kinder, ja auch die allerbesten, sich von dem Mutterherzen lösen. Sinnend blickte sie auf die leere Stelle, die noch vor kurzem das letzte Werk ihres Sohnes eingenommen hatte.
Da wurden Schritte und Stimmen auf dem Hausflur laut, und noch bevor sie aus ihren schweren Gedanken sich emporgearbeitet hatte, waren durch die geöffnete Tür zwei Paare zu ihr eingetreten. Das ältere war ihr gänzlich unbekannt, aber hinter diesem der junge Mann, an dessen Arm das schöne Mädchen hing – so konnten ihre alten Augen sie nicht trügen –, das war denn doch ihr Sohn!
Voll Verwirrung war sie aufgestanden; aber schon hatten die jungen schönen Menschen sich ihr genähert und ihre Hand gefaßt. »Mutter«, sagte der Sohn, »hier hast du mein Geheimnis! Dies Kind behauptet zwar, daß sie Maria heiße; aber du siehst ja wohl, daß es die Psyche ist, die lebendige, meine Psyche, durch die nun ich und meine Werke leben werden!« Und sich freudig aufrichtend und drüben seinem unvollendeten Werke zunickend, setzte er hinzu: »Auch dich, Walküre, wird sie aus deinem Bann erlösen!«
Die alte Frau aber hielt jetzt die Psyche an ihren beiden kleinen Händen; sie betrachtete sie
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