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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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aufmerksam, ja fast mit Staunen; aber immer inniger wurde dieser Blick, bis dann das ganz erschütterte Kind in ihren mütterlichen Armen lag.
    Der junge Künstler stand wie träumend, das Haupt geneigt; ihm war, als höre er in weiter Ferne das Wellenrauschen der Nordsee. Und auch die Geliebte schien er mit sich dahin gezogen zu haben; denn aus ihren Tränen wandte sie plötzlich den Kopf zu ihm empor und sagte: »Aber du, die alte Bade-Kathi muß doch mit zu unserer Hochzeit!«
    Da löste sich die Stille in ein heiteres Lachen des Glückes; ganz vernehmlich blies der Faun auf seiner Flöte, und am Himmel draußen stand in vollem Glanz die Sonne, noch immer die Sonne Homers, und beleuchtete wieder einmal ein junges aufblühendes Menschenschicksal.
    Am andern Morgen aber flog mit dem ersten Bahnzuge, der nach Norden ging, ein kurzer jubelnder Brief nach der alten Stadt an der Meeresküste.
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Im Nachbarhause links
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    »Wenn du es hören willst«, sagte mein Freund und streifte mit dem kleinen Finger die Asche von seiner Zigarre. »Aber die Heldin meiner Geschichte ist nicht gar zu anziehend; auch ist es eigentlich keine Geschichte, sondern nur etwa der Schluß einer solchen.«
    »Danke es«, versetzte ich, »unserer heurigen Novellistik, daß mir das letzte jedenfalls besonders angenehm erscheint.«
    »So? – Nun also!
    Es sind jetzt dreißig Jahre, daß ich als Stadtsekretär in diese treffliche See- und Handelsstadt kam, in welcher die Groß- und Urgroßväter meiner Mutter einst als einflußreiche Handelsherren gelebt hatten. Das derzeit von mir gemietete Wohnhaus stand zwischen zwei sehr ungleichen Nachbarn: an der Südseite ein sauber gehaltenes Haus voll lustiger Kinderstimmen, mit hellpolierten Scheiben und blühenden Blumen dahinter; nach Norden ein hohes düsteres Gebäude; zwar auch mit großen Fenstern, aber die Scheiben derselben waren klein, zum Teil erblindet und nichts dahinter sichtbar, als hie und da ein graues Spinngewebe. Der einstige Ölanstrich an der Mauer und der mächtigen Haustür war gänzlich abgeblättert, die Klinke und der Messingklopfer mit dem Löwenkopf von Grünspan überzogen. Das Haus stand am hellen Tage und mitten in der belebten Straße wie in Todesschweigen; nur nachts, sagten die Leute, wenn es anderswo still geworden, dann werde es drinnen unruhig.
    Wie ich von meinem Steinhofe aus übersehen konnte, erstreckte sich dasselbe noch mit einem langen Flügel nach hinten zu. Auch hier war in dem oberen Stockwerke, das ich der hohen Zwischenmauer wegen allein gewahren konnte, eine stattliche Fensterreihe, vermutlich einem einstigen Festsaal angehörig; ja, als einmal die Sonne auf die trüben Scheiben fiel, ließen sich deutlich die schweren Falten seidener Vorhänge dahinter erkennen.
    Nur eine einzige Menschenseele – so sagte man mir –, die uralte Witwe des längst verstorbenen Kaufherrn Sievert Jansen, hause in diesen weitläuftigen Räumen; wenigstens glaube man, daß sie noch darin lebendig sei; gesehen wollte sie keiner von denen haben, welche ich zu befragen Gelegenheit hatte. Aber ich möchte nur aufpassen, ob nicht frühmorgens, bevor die andern Häuser aufgeschlossen würden, eine alte Brotfrau dort an die Haustür komme. Dann werde diese, nachdem die Frau ein dutzendmal mit dem Löwenklopfer aufgeschlagen, eine Spalte weit geöffnet, und eine dürre Hand lange daraus hervor und nehme sich ein paar trockene Semmeln aus dem Korbe.
    Ich habe diese Beobachtungen nicht angestellt. Doch ging bald darauf bei einer amtlichen Durchsicht der Depositen ein von meiner unsichtbaren Nachbarin bei dem Stadtgerichte niedergelegtes wohlversiegeltes Testament durch meine Hände. Sie lebte also und hatte ohne Zweifel auch noch ihre Beziehungen in das Leben; nur im Munde des Volkes war sie fast zur Sage geworden.
    Als ich und meine Frau, der hier noch bestehenden guten Sitte folgend, der Kaufmannsfamilie in dem freundlichen Hause rechts unseren Nachbarbesuch abstatteten, wurden wir von den heiteren Leuten fast ausgelacht, daß wir es wagen wollten, auch zur Linken an die Nachbarstür zu klopfen.
    »Sie kommen nicht hinein!« sagte der Hausherr; »ich glaube, es ist seit Jahren niemand hineingekommen, denn, Gott weiß, wie sie es macht, aber die alte Dame wirtschaftet ganz allein. Wenn es Ihnen aber auch gelänge, den Eingang zu erzwingen, so würden Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit nur den Verdacht erwecken, Sie hätten es auf die nachbarliche Erbschaft abgesehen!«
    »Aber ihr

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