Werke
Hauptvermittlerin zwischen meiner verehrlichen Mandantin und der Außenwelt, und brachte mir eine Empfehlung von der Madame Jansen, ich möchte doch nicht unterlassen noch heute bei ihr vorzusprechen.
Kurz danach trat ich in das bewußte Zimmer; das Haus hatte ich offen gefunden, obgleich die Wärterin schon seit lange von ihr entlassen war. Ich traf meine alte Freundin unruhig mit einem Krückstock auf und ab wandernd, trotz des heißen Junitages in ihren grauen Soldatenmantel eingeknöpft; dabei hatte sie eine schwarze Tüllhaube auf dem Kopfe, worin eine dunkelrote Rose nickte; die falschen Locken waren auch schon vorgebunden.
»Ich habe Wichtiges mit Ihnen zu besprechen«, hub sie in ihrer feierlichen Weise an. »Man hat mir gesagt, daß eine reiche Kaufherrntochter dieser Stadt einen Grafen heiraten wird. – Ich sehe nicht ein, warum meine Erbin nicht auch eine Grafenkrone tragen sollte.«
»Aber ich dachte«, wagte ich zu bemerken, »die Spitalleute vor dem Nordertore – –«
»Mein Herr Stadtsekretär«, fiel sie mir ins Wort, »wenn Sie gleich mein Mandatar sind – ich habe volle Gewalt, mein Testament zu ändern.«
Ich bestätigte das nach Kräften. Die kleine Greisin schien in großer Aufregung; sie mußte oftmals innehalten beim Sprechen. »Es soll hier ja noch so ein hungriger Graf herumlaufen«, begann sie wieder; »dem könnte auch geholfen werden! Meine Nichte – –« – –«
»Sie meinen die älteste Tochter des Polizeimeisters!«
»Freilich, die Tochter des Chefdirektors der hiesigen Polizei. Sie ist eine ganz andere Schönheit als die semmelblonde Grafenbraut von heute; sie erinnerte mich bei dem kurzen Besuche, wo ich das Vergnügen hatte sie zu sehen, sogar an meine eigene Jugend; die junge Dame scheint eine vorzügliche Bildung genossen zu haben; – ich werde ihr ein fürstliches Vermögen hinterlassen.«
Ich war sehr erstaunt; aber ich hielt mich vorsichtig zurück und beschloß der Kugel ihren Lauf zu lassen; die Mechtild sollte schon stillhalten, wenn ihr die Hunderttausende in den Schoß fielen, und der Graf – diese Luftspiegelung würde wohl von selbst verschwinden.
Während solcher Gedanken ersuchte mich die Alte, auf morgen alles Nötige zur Errichtung eines neuen Testamentes vorzubereiten. »Denn es hat Eile«, setzte sie hinzu. »Meine Nichte könnte bei ihrer Schönheit sonst gar leicht eine Verbindung unter ihrem jetzigen Stande eingehen. – Schon in nächster Woche werde ich meine Prunkgemächer öffnen: ich werde den Herrn Grafen einladen und ihm meine Erbin vorstellen; mein Neffe, der Herr Chefdirektor, wird es übernehmen, die Honneurs zu machen! – – Aber jetzt, mein Lieber, begleiten Sie mich nach oben; wir wollen doch ein wenig revidieren!«
Bei diesen Worten hatte sie das große Schlüsselbund unter dem Kopfkissen ihres Bettes hervorgeholt; dann steckte sie ohne weiteres ihre kleine Knochenhand unter meinen Arm, und so krochen wir miteinander die breiten Treppen zu dem oberen Stockwerk hinauf.
Es war ein großer nach hinten zu belegener Saal, den wir jetzt betraten, nachdem der Schlüssel sich kreischend und nur mit meiner Hülfe im Schloß herumgedreht hatte; die Wände mit einer verblichenen gelben Tapete bekleidet, in deren Muster sich kannelierte Säulen zu der mit Rosen verzierten Stuckdecke hinaufstreckten; die Möbeln alle in den graden Linien der Napoleonszeit, in den Aufsätzen der Spiegel jene Glasmalereien mit auffahrenden Auroras oder einem speerwerfenden Achilleus. Auf den Fensterbänken lagerte dicker Staub und eine Schar von toten Nachtschmetterlingen.
Die Alte erhob ihren Stock und zeigte nach den beiden Kronleuchtern von geschliffenem Glase und nach den Fenstern auf die verschossenen Seidengardinen, die vorzeiten gewiß im leuchtendsten Rot geprangt hatten; dann ließ sie meinen Arm los und begab sich an eine Untersuchung der mit Schutzdecken versehenen Stuhlpolster.
Mich hatte indes ein anderer Gegenstand gefesselt. An der Wand den Fenstern gegenüber hingen, je über einem Sofa, zwei lebensgroße gut gemalte Brustbilder. Das eine zeigte einen schon älteren, etwas korpulenten Mann mit fleischigen Wangen und kleinen genußsüchtigen Augen. Das andere war das Bild eines bacchantisch schönen Weibes; eine weiße Tunika umschloß die volle Brust, durch das dunkle kurzverschnittene Haar, von dem nur eine Locke sich über der weißen Stirn kräuselte, zog sich ein kirschrotes Band mit leichter Schleife an der einen Seite; darunter
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