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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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wohlgezirkelten Unterhaltungen, die meistens harmlos genug, mitunter aber auch um desto übler sind, je mehr die jungen Köpfe nur die gedankenlosen Träger der Armseligkeiten zu sein pflegen, die darin zutage kommen. Der Gegenstand mußte diesmal sehr anregend sein; die Gesichter der hübschen Frauenzimmer strahlten vor Entzücken.
    Unsere junge Freundin – sie trug den etwas ungewöhnlichen Namen »Mechtild« – war nicht darunter; sie stand unweit davon, die Hände auf dem Rücken, an dem Schiffsmast, und wiegte wie im Vollbehagen ihrer Jugendkraft den schlanken Oberkörper auf und ab, wie die Wellen das Schiff, von welchem sie getragen wurde. Die Stattlichkeit dieser Mädchengestalt war mir noch niemals so in die Augen gefallen, wie hier unter dem blauen Frühlingshimmel, wo der Seewind ihr in Haar und Kleidern wühlte, und ihre blauen Augen in die Ferne nach den waldbekränzten Ufern schweiften.
    Drüben unter der jungen Gruppe war das Gespräch indessen lauter geworden; eine Majorstochter erzählte eben, Mama wolle noch eine große Tanzgesellschaft geben; einige Kaufmannstöchter würden dann natürlich auch mit eingeladen, aber das mache ja gar nichts! – O nein, das mache ja nichts, so in größerem Zirkel! Die jungen Damen hatten alle nichts dagegen. – Die jungen Herren vom Degen und ein junger auf Besuch anwesender Gesandtschaftsattaché meinten auch, das gehe ja ganz vortrefflich! So zum Tanzen, und – was freilich nicht gesagt wurde – zum Heiraten, wenn sie reich seien; warum denn nicht!
    Mechtild hatte den Kopf gewandt und schien aufmerksam zu lauschen. Ein überlegenes Lächeln spielte mehr und mehr um ihren schönen aber keineswegs kleinen Mund; und jetzt mit allem Übermut der Jugend brach es hervor. Es war ein köstlicher Brustton dieses Lachen; die jungen Damen drüben verstummten plötzlich wie erschrocken.
    Dann rief eine zu ihr hinüber: »Was hast du, Mechtild? Warum lachst du so?«
    – »Ich freu mich über euch!«
    »Über uns? Weshalb, was hast du wieder?«
    – »Daß ihr so allerliebste Wachspuppen seid!«
    »Was soll denn das nun wieder heißen?«
    – »Oh, ich meine nur! Und das so hier, unter des lieben Gottes offenem Angesicht.«
    »Ach was! Komm her und sei nicht immer so apart!«
    Aber sie kam doch nicht; ein wilder Schwan mit blendend weißen Schwingen flog, rasch unser Fahrzeug überholend, in der hohen Luft dahin; dem folgten ihre Augen. – Ich betrachtete sie: sie sah gar nicht aus wie die Tochter eines Karriere machenden Vaters; ja, ich schämte mich aufrichtig, mich so kleinlich um eine Aussteuer für sie mit dem alten Alraun umhergezankt zu haben.
    Dennoch reizte es mich; ich trat zu ihr und fragte: »Mechtild, möchten Sie wohl eine Erbschaft machen?«
    Sie sah mich groß an. »Eine Erbschaft? Ach, das möcht ich wohl!« Sie sagte das fast traurig, als ob eine Hoffnung daran hinge.
    Die Stadt, von der wir uns mehr und mehr entfernten, war in der klaren Luft noch deutlich sichtbar. »Sehen Sie zwischen den kleineren Häusern das hohe graue Gebäude?« fragte ich. »Dort lebt eine alte Frau; die weiß, auch heute, nichts von Licht und Sonnenschein!«
    »Ja, ich sehe das Haus; wer wohnt darin?«
    »Eine Tante von Ihnen oder Ihrem Vater.«
    »O die! – Das ist nicht meine Tante; meine Großmutter war nur Geschwisterkind mit ihr; wir sind auch einmal dort gewesen.« Sie schüttelte sich ein wenig. »Nein, die möcht ich nicht beerben.«
    »Aber sonst?« sagte ich und sah ihr forschend in die Augen.
    »Sonst? Ach ja!« Und die helle Lohe schlug dem schönen Mädchen ins Gesicht, daß ihre Augen dunkel wurden.
    »Vertrauen wir den reinen Sternen, Mechtild!« sagte ich und drückte ihr die Hand. Ich hatte wohl gehört, daß sie einem jungen Offizier ihre Neigung geschenkt habe, daß aber die Armut beider einer näheren Verbindung im Wege stehe; jetzt wußte ich es denn.
     
    »Mamas« große Tanzgesellschaft hatte richtig stattgefunden und unter anderem die praktische Folge gehabt, daß einer der Offiziere, der sogenannte »blaue Graf« – ich weiß nicht, ob so genannt wegen seines besonders blauen Blutes oder weshalb sonst –, sich kurz danach mit einer der zu dieser Festlichkeit befohlenen reichen Kaufmannstöchter verlobt hatte. Die ganze Stadt, namentlich die junge Damenwelt, besprach den Fall auf das gewissenhafteste.
    Aber die Folgen von »Mamas Tanzgesellschaft« sollten sich noch weiter fortsetzen. Eines Morgens kam die bewußte Brotfrau, vermutlich die

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