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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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waren Leute, welche die Wohlfahrt ihrer Kinder für ein größeres Glück erachteten als ihre eigene; und dahin – das wolltest du wohl sagen – hat jener Finger doch den Weg gewiesen! Auch hast du selber ja noch beide mit ihren stillen und zufriedenen Angesichtern hier in diesen Lehnstühlen, worin nun ich und dein alter Onkel sitzen, von ihrer harten Lebensarbeit ruhen sehen! An seinem ersten Geburtstage, den dein Großvater hier in unserem Hause lebte, hatte dein Onkel ihm sogar eine neue Meerschaumpfeife bei seinem Morgenkaffee hingelegt, wie er so schön sie früher nie besessen hatte. Der alte Mann wurde heftig dadurch bewegt; er nahm das schwarze Sammetkäppchen von seinem ehrwürdigen Haupte, und seine Lippen bebten, als wiederhole er jetzt das heiße Dankgebet, das er vor dreißig Jahren wohl zuletzt gesprochen hatte. Er ließ sich auch von mir ein Seidentüchlein geben, um sorgsam den schönen Kopf darein zu hüllen; geraucht aber hat er nicht daraus; das, meinte er, habe er in der langen Zeit verlernt.«
    Der junge Gottesmann hatte sich mit etwas strengem Ausdruck, aber dennoch, wie es schien, nicht völlig unbefriedigt in seinen Stuhl zurückgelehnt. Dagegen versuchte ich es noch mit einer Frage. »Und Lorenz?« sagte ich. »Blieb er in der Anstalt? Ist er dort gestorben?«
    »Nein«, erwiderte unsere gute Wirtin, und ihr Antlitz gewann auf einmal wieder seinen alten Ausdruck heiterer Behaglichkeit. »Er ist glücklich wieder herausgekommen und hat noch jahrelang in meines Bruders Haus gelebt. Nur ein wenig wunderlich war er geblieben; er hatte, wie Christian sagte, sich eine ganz glückselige Dummheit zugelegt; denn wie er einst geglaubt hatte, daß unsere altmodische Brauerei durch ihn zugrunde gehen werde, so glaubte er jetzt, daß diese neumodische, von der er nichts verstand, nicht ohne ihn bestehen könne.
    Als derzeit bei einem Besuche mein Bruder mir alle seine großen Anstalten und Gelegenheiten zeigte, klopfte er in einem Durchgang, der von dem Wohngebäude in die Brauerei führte, an eine der seitwärts befindlichen Türen. ›Und hier wohnt unser Lorenz!‹ sagte er.
    Er hätte es mir nicht zu sagen brauchen; denn über der Tür, in Ermangelung eines Wandbetts, das er hier in der Kammer nicht besaß, stand mit Kreide der alte Spruch geschrieben; nur hatte er jetzt seinen Namen mit dem seines alten Herrn verwechselt, und so lautete es hier:
     
    Josias Ohrtmann is mein Nam;
    Gott hilf, daß ich in ’n Himmel kam!
     
    Jetzt sind sie beide schon seit lange dort; und so endet diese Geschichte wie hoffentlich auch alle andern Geschichten auf dieser Erde. Aber das habe ich meinem Bruder doch gesagt, daß er es mit seinem Gest in Obacht nehmen solle.«
    Sie schwieg und reichte ihrem alten Eheherrn die Hand, der sie wie das Kleinod seines Lebens in die seine nahm. – Und dafür, indem wir jetzt die Feder fortlegen, halten auch wir die Hand einer jeden wahrhaft guten Frau.
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Die Söhne des Senators
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    Der nun längst vergessene alte Senator Christian Albrecht Jovers, dessen Sarg bei Beginn dieser einfachen Geschichte schon vor mehreren Jahren die stille Gesellschaft der Famliengruft vermehrt hatte, war einer der letzten größeren Kaufherren unserer Küstenstadt gewesen. Außer seiner Witwe, der von klein und groß geliebten Frau Senatorn, hatte er zwei Söhne hinterlassen, von denen er den ältesten, gleichen Namens mit ihm, kurz vor seinem Tode als Kompagnon der Firma aufgenommen hatte, während für den um ein Jahr jüngeren Herrn Friedrich Jovers am selben Orte ein durch den Tod des Inhabers frei gewordenes Weingeschäft erworben war.
    Dem alten, nun in Gott ruhenden Herrn war derzeit der Ruf gefolgt, daß er in seinem Hause, selbst gegen seine im vorgeschrittenen Mannesalter stehenden Söhne, die Familiengewalt mit Strenge, ja oft mit Heftigkeit geübt habe; nicht minder aber, daß er ein Mann gewesen sei, stets eingedenk der Würde seiner Stellung und des wohlerworbenen Ansehens seiner Voreltern, mit einem offenen Herzen für seine Vaterstadt und alle reputierlichen Leute in derselben, mochten sie in den großen Giebelhäusern am Markte oder in den Katen an den Stadtenden wohnen. Beim Jahreswechsel mußte ohnfehlbar der Buchhalter und Kassierer Friedebohm einen gewichtigen Haufen dänischer und holländischer Dukaten in einzelne Päckchen siegeln, sei es zu Ehrengeschenken für die Prediger, für Kirchen- und Schulbediente oder für am Orte wohnende frühere Dienstboten als ein

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