Werke
niedriger Aufbau, mit weißem Sammettuch behangen; an beiden Seiten der Halle standen Männer und Frauen, alle in feierlicher Ruhe und in schwarzen Gewändern; nur an dem Doppeltor stand ein Priester in weißem Meßkleid.
Dem jungen Ritter, da er sich umsah, ward der Atem schwer. »Herr Schloßhauptmann«, sprach er wieder, »wollet mir sagen: ich sah noch nimmer eine Hochzeit mit so dunkeln Gästen!«
Der aber erwiderte: »Seit drei Tagen hat mein Kind sich Schwarz zur Leibfarbe angenommen; es ist wohl seltsam, doch es ist mein letztes – so muß ich ihr den Willen tun. Geduldet Euch, die Braut wird bald erscheinen!«
Rolf Lembeck schwieg, und unter all den Menschen war es wieder lautlos still.
Da nahte sich ein Rauschen hinter den geschlossenen Toren, ein Zug von langsamen Schritten wurde hörbar, und indem die Tore sich öffneten, scholl, von jungen Frauenstimmen gesungen, ein De profundis wie von den Sternen nieder.
Ein Schauer schlug Rolf Lembeck durch die Glieder; aber schon hatte der Zug der Jungfrauen die Schwelle überschritten. Er streckte sich und hob den Kopf; so stand er wie erstarrt, und nur sein Auge wurde wie das eines Raubvogels. Er sah die singenden Jungfrauen eine Totenlade von den Schultern heben und sie auf die Sammetbühne niederlassen; er sah in weißen Sterbgewändern ein Weib – nein, nicht ein Weib; aus weißen Binden sah ein totes Kinderantlitz –, da ließ der Bann von ihm: ein furchtbarer Schrei scholl durch die Halle. Der Gesang riß ab, und mit erhobenen Armen brach Rolf Lembeck durch die Menschen; er stürzte sich über den Sarg und preßte seine Lippen auf das tote Antlitz seiner Liebe: »O Dagmar, das ist unsere Hochzeit!«
Da ging ein Rauschen durch die Menge, die Schwerter flogen aus den Scheiden, und Schrei und Rufe schollen durcheinander: »Wer ist’s? Der Lembeck? Packt den Tollen, den Leichenschänder! Schlagt ihn nieder!« Der Priester aber streckte die Hände nach dem Kühnen und schrie: »Anathema!« Nur der jungen Sängerinnen eine, die der Blick aus seinem blauen Aug gestreift hatte, sank in die Knie und betete: »O Gott der Liebe, erbarm dich ihrer beider!«
Rolf Lembeck regte sich nicht, sein scharfes Schwert hing ruhig in der Scheide. Plötzlich drang ihm die Stimme Gaspards in das Ohr: »Flieht! Flieht, Herr! Der Junker und ich versperren hier den Weg!«
Er riß das Haupt empor; er sah die Schwerter glitzern, und wie Gespenster drangen die schwarzen Gestalten auf ihn ein; schon fiel Gaspard neben ihm zu Boden; da fuhr es wie düsterer Wetterschein ihm durch das Hirn: noch eines Atemzuges Dauer, dann hob er mit jähem Griff die tote Liebste aus ihrer Lade und entfloh. Durch den tobenden Lärm, der sich erhob, klang die mächtige Stimme des Schloßhauptmanns: »Zurück! – mein Kind – mein Fest – und auch der Verfluchte!«
Aber Rolf Lembeck war nicht mehr in der Halle. Die Tote an sich pressend, die Augen wie im Wahnsinn auf das süße, starre Antlitz heftend, war er durch den dahinter liegenden Saal geflohen; die Tür genüber warf er eben zu.
Der Saal war leer: die Kerzen flammten; Rolf aber floh, er wußte nicht, wohin; nur irgendwo allein, in Sicherheit mit ihr! Nur eine, noch eine stille letzte Stunde mit der Toten! Ob jemand folge, daran dachte er nicht; er kam durch eine Tür in kleine düstere Gemächer, wo nur ein Mondstreif auf das stille Antlitz fiel; eine Treppe tiefer öffnete er eine große Tür, da schlug der Kerzenglanz aus einer weiten Halle ihm entgegen; von der Mitte des Fußbodens erhob sich ein gewaltiger Hund und rannte mit heiserem Knurren auf ihn zu. Rolf schloß die Tote fester an sich und hatte schon die Hand am Schwert, da sprang das große Tier mit zärtlichem Winseln an ihm auf. »Heudan, du bist es, Heudan!« rief er und stand einen Augenblick und legte die Hand liebkosend auf den Kopf des Tieres.
Aber drüben von der Turmtreppe aus trat die furchtbare Gestalt des Schloßhauptmannes ihm entgegen; ein Wutschrei flog zu ihm hinüber, da floh er durch dieselbe Tür zurück und warf sie hinter sich ins Schloß. Noch einen finsteren Raum, dann stieß sein Fuß an eine Treppenstiege; er klomm hinauf, da kam es hinter ihm – nein, es war nur der Hund. Die Treppe wand sich höher, nur hier und da ein Mauerloch, durch das die Nachtluft zog, dann ihm zu Häupten eine offene Luke. Er stieg hindurch und warf sie zu.
Es war die Platte des stumpfen Turmes, die er erklommen hatte; vom Hofe drunten kam kein Laut herauf, es schien dort
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