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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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Schalltafel und Hammer in Ketten an dem Pfosten; es hatte jemand angeschlagen, um Einlaß zu begehren. Dann knarrte das größere Tor, und bald schritt aus der Einfahrt einer der Wächter über den Hof und meldete: »Ein Bote vom Schloßhauptmann zu Haderslevhuus!«
    »So spät?« Rolf Lembeck war es, als habe er unsichtbar einen Schlag erhalten. »Laß ihn hieherkommen!«
    Es ritt dann einer in den Hof, und als er näher kam, erkannte der Ritter bei dem Mondlicht, das über den Seitenbau hereinschien, daß er bunt und lustig gekleidet war: von der Achsel hing ihm ein lichtrot Seidengeschnür, auch solche Feder von der Haubenkappe. Als er aber schwerfällig von seinem weißen Pferd gestiegen und, das Tier dem Knechte übergebend, mit entblößtem Haupte vor den Ritter getreten war, sah dieser, daß es ein alter Mann sei, dessen weißer Knebelbart über einem zahnlosen Munde hing.
    Der verneigte sich und begann eine lange, kaum verständliche Ansprache; doch der Ritter fiel ihm in die Rede: »Ich hab keine Lust am Überflüssigen; mach es dir bequem, sag’s kurz, was dein Herr von mir begehrt! Mir klang’s, als solltst du mich gar zur Hochzeit laden?«
    »Ihr habet recht gehört, Herr Ritter«, sprach der Bote; »ich aber dank Euch für den Richtsteig.«
    »Zur Hochzeit?« frug Rolf Lembeck sinnend. »Man pflegt sonst solche Ladung am hellen Morgen zu bestellen!«
    – »Verzeihet, Herr! Ich bin nur der älteste der Knechte und bin geritten, wie der Herr mich ausgesandt.«
    »So sprich denn, wessen Hochzeit gilt es? Will Euer Herr der Witwenschaft Valet geben?«
    Da schien der Bote sich mühsam aufzuraffen, und erst nach einer Weile sprach er: »Die Jungfrau Dagmar, des Herrn letztes Kind, ist es, zu deren Festtag ich Euere Gegenwart erbitten soll.«
    Der Ritter schwieg, in seinem Hirn erstickte er den Schrei: ›Du lügst!‹ Nur sein Antlitz wurde braun und wieder blaß; aber der Bote sah es nicht, denn der Ritter saß im tiefen Lindenschatten. Mit trockener Stimme sprach er endlich: »So sag mir, wie heißt der Mann, dem solch Glück gefallen ist?«
    »Herr«, erwiderte der Alte, »ein schneller Freier ist es gewesen! Ich sah ihn nicht, und ward sein Name mir nicht genannt; doch soll er weit in der Welt bekannt sein. Es fehlt an ritterbürt’gen Zeugen; drum wollet der Jungfrau die erbetene Ehre antun! Wenn Ihr mit Mondesaufgang kommet, wird es recht sein!«
    Wieder schwieg der Ritter, und der Bote stand harrend vor ihm. Einzelne Knechte mit trüben Hornleuchten gingen über den Hof, und wenn im Flügel die Tür nach der Gesindestube aufging, flog ein Lichtschein durch die Mauerschatten; im Brunnen fielen die Tropfen von dem Eimer tönend in die Tiefe. Da kam ein junger Schritt vorüber. »Gehrt, bist du es?« rief der Ritter.
    – »Ich bin es, Herr!«
    »So nimm den Boten mit dir und laß ihm guten Trunk geben!«
    »Und was für Kunde«, frug dieser, »bring ich meinem Herrn?«
    »Geh nur! Wo Jungfrau Dagmar hochzeitet, darf ich nicht fehlen!«
    Sie gingen, und der Ritter saß wieder auf der Lindenbank. Vergebens bohrte sein Verstand an diesen Rätseln; aber in seinem Innern kochte es vor Weh und Grimm.
     
    Am nächsten Tage, da schon die Abendschatten fielen, stand in einem Burggemache Gaspard der Rabe vor seinem Herrn; die Augen des klugen Gesichtleins blickten fast ermüdet. »Du siehst übel aus; was ist dir?« sprach der Ritter, der mit aufgestütztem Arm am Tische saß.
    »Herr, für uns ist üble Zeit«, erwiderte der Schreiber und sah dem andern in die verwachten hohlen Augen. »Wenn Ihr’s erlaubt, Ihr gleichet selber kaum einem Hochzeitsgast!«
    Ein schweres Atmen war die einzige Antwort.
    »Herr!« rief Gaspard plötzlich, »gehet nicht, wohin man Euch geladen hat!«
    Wie abwesend sah ihn der Ritter an: »Meinst du? Weshalb nicht, Gaspard?«
    – »Verzeihet, wenn ich von Eueren letzten Tagen mehr weiß, als Ihr denket« – und Gaspard ließ den Kopf auf die Seite sinken –, »Ihr seid doch unschuldig in Eurem Herzen! Herr, trauet nicht den Dänen!«
    »Du weißt, mich hat kein Däne geladen!«
    – »Er ist des Königs Mann.«
    Tonlos erwiderte der Ritter: »So sprich, wenn du Unholdes von ihm wahrgenommen hast!«
    »Herr!« sprach Gaspard und legte die Hand auf seine schmale Brust; »soweit unsere Herrin nicht meinen Dienst begehrt, der er vorab gehöret, sind Kopf und Hand die Euren! Ich bin noch in der Nacht dem Boten nachgegangen und habe bis zum Morgenrot die Burg umschlichen, dann noch

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