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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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alles leer geworden. Sanft rauschte der Lindenwipfel aus der Tiefe, denn der Abendwind war fast entschlafen; über ihm flammte der Himmel in seinen Millionen Sternen, und von Süden schimmerte die Bucht des Kleinen Beltes; über die Wasser hatte der Mondschein eine Brücke von Licht geworfen.
    Rolf lag auf beiden Knien, die Liebste in seinem Schoß. »Weg mit den Totenbinden!« sprach er leise und löste die breiten weißen Bänder, die das zarte Haupt umschlossen hielten: wie traurige Freude flog es durch seine Augen, als jetzt das schwarze Seidenhaar hervorquoll. »Ja, du bist es, süße, heilige Dagmar!«
    Da schollen Schritte von der Wendelstiege her; rasch und zornig kamen sie herauf. Er sprang empor; er lief zur Brüstung und hielt die Tote auf beiden Armen in den weiten Himmelsraum hinaus: da war noch Platz für sie und ihn; auf Erden nicht mehr! – Plötzlich wandte er den Kopf, die Falltür war aufgeschlagen, und mit halbem Leibe ragte die Gestalt des Schloßhauptmannes daraus hervor. Aber er stieg nicht weiter; mit entsetzten Augen streckte er die Arme aus und rief in bitterem Flehen: »Rolf! Rolf Lembeck, gib mir mein Kind! Was gilt dir noch der tote Leib?«
    Der aber wandte seine Augen wieder zu dem bleichen Antlitz. »O Dagmar!« rief er; »Süße, Selige! Breit deine Flügel nun und nimm mich mit dir!« Er schlang die Arme fest um ihren Leib; da war mit einem Satz der greise Mann ihm in dem Rücken; er stürzte vor und griff nach ihm, doch seine Faust fuhr in das Leere. Ihm war, als flög ein Schatten ihm vorüber; er sah jenseit der Brüstung, wie in der Sternennacht, die Sterbekleider seines Kindes wehen; dann nichts mehr, nur von unten auf der Nachhall eines schweren Falles. Der Abendhauch fuhr über die leere Turmdecke; der Hund stand mit den Vordertatzen auf den Zinnen und sah winselnd in die Tiefe.
    Da war sein Zorn als wie ein Rauch verflogen; er fiel auf seine Knie und faltete die Hände: »Herrgott, so nimm sie beide gnädig in dein Reich!« Und über ihm flimmerten die Nachtgestirne in ihrer stummen, unerschütterlichen Ruhe.
    – – So endeten zwei schöne Menschenblüten, und so endet diese Märe; es war, wie es in unserem alten Liede heißt:
    »Daß Liebe stets nur Leiden am letzten Ende gibt.«
     
    »Und die andern?« fragt ihr, »was ward aus denen?«
    – Die andern? – Ich habe von ihnen weiter nichts erkunden können; es gab ja Klöster derzeit, in die hinein sich ein beraubtes, auch ein verpfuschtes Leben flüchten konnte! Was liegt daran? Die Geräusche, die ihre Schritte machten, sind seit Jahrhunderten verhallt und werden nimmermehr gehört werden.
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»Es waren zwei Königskinder«
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    Es ist ein Erlebnis, das ich heut erzählen will; nicht mein eigenes, es ist mir selbst erzählt worden, aber von so lebendiger Erinnerung getragen, daß ich nur hätte nachzuschreiben brauchen.
    Mitte Juli war es, eine laue Sommernacht; wir saßen mit unseren Gästen auf der Terrasse unseres Landhauses, und soweit die hellen nordischen Sommernächte es gestatteten, lag um uns her der Garten schon in Duft und Dämmer; nur am Himmel über uns strahlte im Sternbilde des Perseus der prächtige Algol. Wir hatten lebhaft geplaudert, etwas philosophisch sogar, über kleine Ursachen und große Wirkungen. »Soll es doch geschehen sein«, sagte der alte Doktor, »daß nachts eine Maus über die Nase einer königlichen Geliebten gesprungen ist, und der König hat darüber eine große Schlacht verloren!«
    Wir lachten; aber das steigende Dunkel löschte das Gespräch allmählich aus. Mein Vetter, der Musiker, der sich die Erlaubnis zu einer langen Pfeife ausgebeten hatte, hielt seine Augen auf den funkelnden Stern gerichtet und blies schon lange schweigend seine Rauchwolken gen Himmel. »Ja«, sagte er jetzt, wie zu sich selber, »wenn man nicht näher zusah, so war es auch nur ein Rausch – ein Räuschlein! – Meine nächsten Freunde vom heiligen Konservatorium, wo sind sie? Man soll sich in acht nehmen; es liegt uns überall im Wege!«
    »Was faseln Sie da, Fritz?« frag unser Doktor leise.
    »Ich fasele nicht, lieber Doktor, aber es ist so wunderbar um uns; man möchte den Toten einmal Gehör geben; ich habe es Ihnen vor Jahren, da es mich eben stark geschüttelt hatte, auch wohl schon erzählt!«
    Der Doktor schwieg einen Augenblick. »Das mit dem jungen Marx?« sagte er dann.
    Mein Vetter nickte.
    »Sie haben recht, Fritz, und wenn die Erinnerung Sie drängt, so erzählen Sie es jetzt auch den

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